Nachricht | Kultur / Medien Weder Anmut gespart noch Mühe: Pietsch/Reumschüssel mit „Brecht und die DDR“

Da müsste man lange suchen und würde dann sehr wahrscheinlich zu dem Ergebnis kommen: Mit solch sorgfältiger Recherche, mit derartig intelligenter Präsentation, mit dieser Variationsbreite, mit vergleichbarer Intensität der Darstellung, mit einem so hochkarätigen Unterhaltungs- und Bildungswert dürfte es derzeit kein zweites Brecht-Interpretinnen-Duo geben.

Von Michael Friedrichs

Im letzten Jahr zeigten Gina Pietsch und ihre Pianistin Christine Reumschüssel im überfüllten Augsburger Brechthaus – eingeladen vom Kurt-Eisner-Verein – ihr 15. Programm, „My best of BB“ (3gh 4/2015). Diesmal  schneiderten sie, auch mit Anregungen von Werner Hecht, ein 19. Programm extra für das Augsburger Festival zum Thema „Brecht und die DDR“, und zwar unter dem Stichwort „Um uns selber müssen wir uns selber  kümmern“. Dieser Satz war aus SED-Sicht eine weitere subversive Formulierung von diesem Brecht, der ja auch schrieb, „kein Führer führt aus dem Salat“, ausgerechnet in seinem „Aufbaulied der FDJ“ (1948), wo sich doch die Partei als nahezu unfehlbare Führung betrachtete.

Man kann sich jahrelang mit Brecht befasst haben – die Pietsch präsentiert einem immer noch Sachen, die man nicht kennt und die brillant sind, diesmal z.B. „Willem hat ein Schloss“ (zu Wilhelm Pieck), „Père Josèphe“ (aus den „Tagen der Kommune“, „Das Fischweib“ (aus „Die Verurteilung des Lukullus“), oder „Wie der Wind weht“, geschrieben zum Geburtstag von Ernst Bloch.

Zwischen die Lieder werden Gedichte oder kurze Prosapassagen gestreut, oder auch Satz 1 bis 4 aus Christine Reumschüssels prägnant akzentuierter „Kümmer-Suite in 4 kurzen Sätzen“. Eine wichtige Rolle kommt bei diesem Programm erwartungsgemäß den Buckower Elegien zu. „Im Blumengarten“ wird gesungen, anderes wird rezitiert, und man erhält so ein sehr plastisches Bild von Brechts schwieriger Position in der DDR. Das Konzert endet mit der „Kinderhymne“, aber – keine Überraschung – es endet natürlich noch nicht gleich, sondern erst nach zwei Zugaben, „Friedenslied“ und – als „kulinarisches“ Dessert angeboten, der „Seeräuber-Jenny“. Und bei diesem Finale furioso merkt man noch einmal die individuelle Klasse der Darbietung: Wie sie die Handlungs-Strophen und den Refrain stimmungsmäßig von einander absetzt, die Handlung zügig und derb berichtend, die Wunschvorstellung vom Schiff mit acht Segeln dagegen süß romantisch verklärt – so hat man das noch nicht gehört.

Am 7. Juli kommen die beiden übrigens wieder ins Brechthaus mit ihrem 14. Programm zum grünen Brecht: „Zum Beispiel das Gras“. Die Vorfreude ist schon angelaufen.

Erstveröffentlichung: Dreigroschenheft