Publikation Kapitalismusanalyse - Wirtschafts- / Sozialpolitik - Partizipation / Bürgerrechte - Soziale Bewegungen / Organisierung - International / Transnational - Globalisierung - USA / Kanada - Europa - Westeuropa - G20 Die G20 und die Krise des globalen Kapitalismus

Studie von Samuel Decker und Thomas Sablowski

Information

Reihe

Studien

Autor*innen

Thomas Sablowski, Samuel Decker,

Erschienen

Mai 2017

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Die «Gruppe der 20» (G20) umfasst die Regierungen von 19 der wirtschaftsstärksten Staaten der Welt und den Präsidenten der Europäischen Kommission. Die Bundesregierung betrachtet die G20 als das zentrale Forum der internationalen Zusammenarbeit in Finanz und Wirtschaftsfragen, obwohl die Regierungen vieler Länder ausgeschlossen sind und es die UNO gibt, in der nahezu alle Staaten der Erde vertreten sind.

Ist die G20 tatsächlich so etwas wie eine informelle Weltregierung – oder eher ein Papiertiger? Unsere Studie kommt zu dem Ergebnis, dass ihr die Züge von beidem anhaften. Die Widersprüchlichkeit der G20 – gekennzeichnet sowohl durch globale Machtentfaltung als auch durch weitgehende Handlungsunfähigkeit – ist eine Folge der widersprüchlichen Interessen der herrschenden Klassen der beteiligten Länder. Gemeinsam haben die darin organisierten Regierungen das Interesse an der Reproduktion der globalen kapitalistischen Ordnung, doch ihr Verhältnis ist durch scharfe Konkurrenz und die daraus resultierenden vielfältigen Konflikte geprägt. Die Internationalisierung des Kapitals produziert eine hierarchische internationale Arbeitsteilung, und die Regierungen der G20 kämpfen um die Positionen in dieser Hierarchie. Die G20 ist also als Teil der internationalen Regulation des Kapitalismus einerseits eine Form kooperativer Herrschaft, andererseits eine Bühne zur Austragung der Interessenkonflikte der Herrschenden. 

Die G20 wurde nach der Asienkrise 1999 gegründet und in der jüngsten globalen Finanzkrise 2008 zu einem zentralen wirtschaftspolitischen Gremium der Staats- und Regierungschefs aufgewertet. Allerdings bezog sich ihr Krisenmanagement nicht auf die tieferen Ursachen der vielfältigen Krisen im globalen Kapitalismus, sondern auf deren oberflächliche Auslöser. Wenn es einen Bereich gibt, in dem die G20 tatsächlich politisch einflussreich war, so ist es die Finanzmarktregulierung. Allerdings griffen auch die Ansätze der G20 zu einer strikteren Regulierung der Finanzmärkte zu kurz und wurden zudem in der Umsetzung durch Interessenkonflikte in und zwischen den Nationalstaaten verwässert. Inzwischen droht sogar die Rücknahme der wenigen Fortschritte, die auf diesem Feld erreicht wurden. 

In den letzten Jahren hat die G20 ihre Agenda auf Themen wie nachhaltige Entwicklung und Klimawandel ausgedehnt. Aber die G20 interpretiert die in der Agenda 2030 der UNO enthaltenen Ziele zur nachhaltigen Entwicklung in sehr eigenwilliger und verkürzter Weise. Letztlich geht es der G20 darum, neue Bereiche für Kapitalanlagen zu erschließen und private Investitionen zu fördern. So droht eine neue Welle der Privatisierung gesellschaftlicher Infrastrukturen und der Umverteilung zugunsten des Kapitals durch «öffentlich-private Partnerschaften». Die insbesondere von der Bundesregierung vorangetriebene «Partnerschaft mit Afrika» zielt darüber hinaus vor allem darauf, afrikanische Märkte zu öffnen.

Um der Kritik von sozialen Bewegungen entgegenzutreten, bemüht sich die G20 und insbesondere die Bundesregierung um eine selektive Einbindung von Nichtregierungsorganisationen in Konsultationsprozesse. Doch auch diese Einbeziehung der «Zivilgesellschaft » verbleibt im Rahmen der herrschenden Regierungslogik und führt nicht wirklich zu mehr Demokratie oder zu einem sozialökologischen Politikwechsel. Schließlich treten wirtschafts- und geopolitische Konflikte innerhalb der G20 immer stärker zutage. 

Letztlich zeigt sich: Die G20 sind Teil des Problems. Der Kampf um eine Demokratisierung und sozialökologische Transformation der kapitalistischen Gesellschaften ist auch ein Kampf gegen die Politik der G20. Die besondere Herausforderung besteht darin, politische Alternativen und Strategien zu entwickeln, die sich von denen der abgeklungenen globalisierungskritischen Bewegung unterscheiden.

INHALT

Zusammenfassung 

1 Die G20: Informelle Weltregierung oder Papiertiger? 

2 Vom Goldstandard zur G20: Krisenregulierung im globalen Kapitalismus 
2.1 Vom britischen zum US-amerikanischen Empire 
2.2 Die Krise des Fordismus und die neoliberale Epoche 
2.3 Die G20 an den Grenzen der Globalisierung 

3 Die G20-Agenda seit 2008: Stabilisierung statt Transformation des finanzdominierten Akkumulationsregimes 
3.1 Die Maßnahmen der G20 zur Finanzmarktregulierung 
3.1.1 Eigenkapitalanforderungen für Banken 
3.1.2 Schattenbanken 
3.1.3 Ratingagenturen 
3.1.4 OTC-Handel mit Derivaten 
3.1.5 Banken- und Finanzmarktaufsicht 
3.2 Vom Krisenkeynesianismus zur «erweiterten Agenda für strukturelle Reformen» 

4 Die Erweiterung der G20-Agenda und die Einbeziehung der Zivilgesellschaft – bloße Lippenbekenntnisse? 
4.1 Oberste Priorität: Wirtschaftswachstum 
4.2 Die deutsche G20-Präsidentschaft: Globalisierung in Gefahr 
4.3 Die Agenda 2030 und die Investitionsoffensive der G20 
4.4 «Partnerschaft mit Afrika»? 
4.5 Das G20-Alphabet: Neue Vielfalt und alte Hierarchien 
4.5.1 Business 20 – Konzerninteressen im G20-Prozess 
4.5.2 Civil 20 – die Zivilgesellschaft darf mitspielen 
4.6. «Hoffen auf Hamburg»? 

5 Neue Welt(un)ordnung: Geopolitische Konflikte und die inneren Widersprüche der G20 
5.1 Die Konflikte in der G20 nehmen zu 
5.2 Aufstieg des Südens oder Aufstieg Chinas? 
5.3 Wechselseitige Abhängigkeiten und wachsende Rivalitäten 
5.4 Neue Allianzen? 
5.5 Wachsende Kriegsgefahren 

Fazit: Die G20 ist Teil des Problems 
Literatur 

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