Eisners Forderungen
Nachdem Kurt Eisner den Täuschungsversuchen des angeblichen «russischen Angriffskrieges» von 1914 nicht mehr erlegen war, wurde er zum radikalen Pazifisten und nach und nach zum internationalistischen Sozialisten.
Eisners Kriegsschuldvorwurf war ein Rundumschlag. Gewiss richtete sich seine Hauptagitation gegen Berlin und die Oberste Heeresleitung. Doch auch der russische Zar sowie die Kriegstreiber in allen beteiligten Nationen wurden von ihm verbal attackiert. Schon im Alter von 30 Jahren (1896), also noch zwei Jahre vor seinem Parteieintritt, erkannte er erstmals einen Akteur abseits der Monarchie, der politisch fragwürdig zu sein schien:
[Der Liberalismus hatte] ‚am blindesten der Bismarcklegende‘ gefrönt und das abscheuliche Märchen gläubig nachgebetet, daß Deutschland nur durch Blut und Eisen hat einig werden können.
Im Laufe der Zeit (ab 1901) erkannte er nur in der SPD eine Partei, die sich vorgeblich für die Belange der Arbeiterklasse interessierte und der er fortan Hoffnung entgegenbrachte.
Wir müssen uns zur Sozialdemokratie flüchten, selbst, wenn wir ihre wirtschaftlichen und taktischen Grundanschauungen nicht theilen. Sie ist die einzige Zuflucht aller Idealisten, um sie kreisen die Sympathien der Gesund-Gebliebenen.
1905 kam es im Kontext der Ersten Marrokokrise zu ersten kriegskritischen Äußerungen in Bezug auf die wilhelminische Regierung und das deutsche Volk:
[Es, das Volk, sei] um ein Haar durch eine Mobilmachungsorder aus jenem tiefen Schlafe erweckt worden, in den eine Nation fallen muss, die ihre Angelegenheiten nicht selbst verwaltet, sondern von ihren inneren Feinden verwalten lässt.
In den folgenden Jahren wurde Eisner von der SPD zunehmend mit herablassenden Blicken abgestraft, 1909 auf einem Parteitag in Leipzig sogar «der Lächerlichkeit preisgegeben»; doch «kehrte er der Partei nicht den Rücken.» Erst im Laufe des Krieges, konkret 1917, wandte er sich nach drei Jahren des Streits mit den Angehörigen der Burgfriedens-SPD einer Parteineugründung zu, der auch spätere Spartakisten und Kommunisten beitraten: der USPD:
Indem die sogenannte sozialdemokratische Mehrheit die Kriegspolitik der Regierenden unterstützt, indem sie die deutschen Massen über das Wesen dieses Krieges, über die Ziele eines Bethmann irregeführt, indem sie endlich Agentendienste für jene vorgetäuschten Friedensbestrebungen der deutschen Regierung leistet, die in Wahrheit nur eine listige Form ihrer Kriegs- und Eroberungspolitik sind, übernimmt diese Sozialdemokratie die Verantwortung für die Fortsetzung der Menschenschlächterei, versperrt sie den einzigen Weg zum Frieden.
Gerade Eisners Äußerungen gegen das Preußische Herrscherhaus verdeutlichen, weshalb er unmittelbar nach Ausbruch des Januarstreiks verhaftet wurde. In einer Rede vom 31.1.1918 heißt es:
Die deutschen Arbeiter wissen, dass die Herrschenden zwar einzelne maßregeln, strafen, versetzen können, aber niemals die Masse, ohne deren Arbeit sie selbst keinen Tag zu leben vermögen. Hundert kann man vielleicht opfern, bei tausend wird es schwierig, […] bei zehntausend unmöglich. Halten die Proletarier zusammen, […] dann – nur dann erzwingen wir den Frieden, den nicht die heutige Regierung schließen will und schließen kann, sondern nur das freie Volk selber durch seine Vertreter.
Kurz vor Ende des Kriegs wurde Eisner aus seiner mehrmonatigen Haft befreit und zum ersten Ministerpräsidenten Bayerns gewählt. Diese nur rund 100 Tage der Regierung Eisner, ehe er ermordet wurde, waren geprägt von der Einführung des Achtstundentages, dem Frauenwahlrecht und der Abschaffung der kirchlichen Schulaufsicht.
Volksgenossen! Um nach jahrelanger Vernichtung aufzubauen, hat das Volk die Macht der Zivil- und Militärbehörden gestürzt und die Regierung selbst in die Hand genommen. Die Bayerische Republik wird hierdurch proklamiert. […] Die Dynastie Wittelsbach ist abgesetzt. Hoch die Republik
(Text von: Riccardo Altieri)