Lebensdaten

Kurt Eisner (1867-1919) war der bedeutendste Vertreter der Unabhängigen Sozialdemokratie in Bayern. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er der erste bayerische Ministerpräsident. Doch seine politischen Ziele galten nie nur der Provinz, vielmehr war er an einem internationalen Sozialismus interessiert. Dieser sollte auf der Basis eines friedvollen und gleichberechtigten Lebens der Völker miteinander dabei unterstützen, die Kriege und Konflikte der alten Großmächte für immer zu beseitigen.

Kurt Eisner kam am 14. Mai 1867 in Berlin zur Welt. Seine Eltern waren der Textilfabrikant Emanuel Eisner und dessen zweite Frau Hedwig Levenstein. Er hatte drei Geschwister und zwei Halbgeschwister, die der Vater aus erster Ehe mitgebracht hatte. So galt es also, täglich acht hungrige Mäuler zu stopfen, was den Heranwachsenden nach und nach weg von den bürgerlich-konservativen Idealen des Elternhauses und hin zu den Belangen der Arbeiterklasse brachte.

Kurt Eisner, das verwundert nicht, schloss sich nach einer höheren Schulbildung und während des Studiums deshalb den philosophischen Freigeistern an, allen voran den Neukantianern (u. a. Herman Cohen) und verabscheute die Verehrer Friedrich Nietzsches. Seine geplante, jedoch nie abgeschlossene Dissertation befasste sich mit Achim von Arnim. Auch unter den Historikern lernte er früh, Freund von Feind zu unterscheiden. Zu letzteren, meist deutsch-national und antisemitisch gesinnten Zeitgenossen gehörte beispielsweise der preußische Militarist Heinrich von Treitschke.

Kurt Eisners große Leidenschaft, neben seinem Beruf als Journalist, war die Politik. In der Sozialdemokratie, deren Partei er seit Dezember 1898 angehörte, lavierte er jedoch stets hin und her, nahm am liebsten «zwischen den Stühlen» Platz. Ebendort, inmitten des Konflikts der Revisionisten um Eduard Bernstein und der Marxisten auf der Seite Karl Kautskys kündigte er 1905 seinen Posten bei der «Vorwärts»-Redaktion in Berlin. Die folgenden Jahre, wenn schon nicht schlechter als zuvor, waren stets von finanziellen Engpässen geprägt.

Kurt Eisner war zweimal verheiratet und hatte zuletzt sieben innereheliche Kinder, die es zu versorgen galt. 1907 führte ihn sein Weg erstmals nach Bayern, konkret zur Chefredaktion der Fränkischen Tagespost in Nürnberg. Nach privaten Komplikationen – unter anderem der Trennung von seiner ersten Frau Elisabeth – zog er mit seiner späteren zweiten Frau Else nach München und übernahm einen Posten als Redakteur bei der Münchener Post. Politisch durfte er sich hier zuletzt infolge des Kriegsbeginns nicht mehr äußern.

Kurt Eisner war nach der Juli-Krise 1914 zunächst ein Befürworter des Ersten Weltkrieges, den er als Angriffskrieg des russischen Zarenreiches wahrnahm – erfolgreich getäuscht durch den Propagandaapparat der obersten Reichsleitung. Doch schon bald nach Kriegsbeginn wurde er zum umso entschiedeneren Gegner und wandelte sich zum Pazifisten. Nun gingen er und die SPD immer spürbarer auf unterschiedlichen Pfaden. Er verurteilte die Bewilligung der Kriegskredite im Reichstag, die dort von der SPD unterstützt wurden. Der unheilige «Burgfrieden» des intranationalen Lagers war geschlossen. Fortan versuchte er die internationale Arbeiterschaft zum Boykott, Streik und Widerstand gegen die nationalen Regierungen aufzuwiegeln – ab 1917 schließlich unter dem Banner der USPD.

Kurt Eisner, der nach dem Januarstreik 1918 für mehrere Monate inhaftiert war, wurde am 8. November 1918 durch die Arbeiter und Soldaten Münchens zum ersten bayerischen Ministerpräsidenten gewählt, nachdem er die Monarchie abgeschafft und den «Freistaat» ausgerufen hatte. Obwohl stets Atheist, reduzierten ihn seine politischen Gegner fortan auf seine jüdischen Wurzeln, erfanden sogar Herkunftsorte in Osteuropa und falsche Namen, um ihn zu denunzieren. Er ließ sich jedoch nicht von seinem revolutionären Kurs abbringen.

Kurt Eisner führte zusammen mit Ludwig Gandorfer am 7. November 1918 einen Demonstrationszug von der Theresienwiese zu den Garnisonen Münchens und dann ins Stadtzentrum.

Kurt Eisner wurde am Vormittag des 21. Februars 1919 auf dem Weg zum Bayerischen Landtag rücklings erschossen. Und das, obwohl er gerade kurz davor war, sich aus der Regierung zu verabschieden, weil er eine demokratische Wahl eindeutig verloren hatte. Der Täter war Anton Graf Arco auf Valley, ein völkisch-nationalistischer Leutnant, der sich bei den aufstrebenden Antisemiten beliebt machen wollte, indem er durch den politischen Mord den «Makel» seiner eigenen jüdischen Wurzeln auszugleichen versuchte – ohne Erfolg.

Zur gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Rezeption:

Der Reformpädagoge Ernst Hierl setzte sich kurz nach Eisners Tod im Rahmen der Münchner Räterepublik für die Einrichtung einer Kurt-Eisner-Schule ein, die jedoch nach der Niederschlagung der Münchner «Roten» durch die aus ganz Bayern herbeigeeilten Freikorps und ehemaligen Reichswehrverbände der «Weißen» nie Realität wurde. Auf dem Gebiet der neuen Bundesländer gibt es heute insgesamt neun Kurt-Eisner-Straßen (in Edderlitz, Freiberg, Halle, Hermsdorf, Kirchberg, Leipzig, Weimar, Zeitz und Zwickau). Auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik gibt es nur eine einzige Kurt-Eisner-Straße, nämlich in München. Und selbst dort, am wichtigsten Ort seines Handelns, gab es bei der Umbenennung erhebliche Proteste. Einen Kurt-Eisner-Platz verhindert man in der Landeshauptstadt bis heute. Einen Platz gibt es nur in Hermsdorf – trotz Kurt-Eisner-Straße.

Zuerst beschäftigte sich 1965 Alan Mitchell mit seiner Monographie «Revolution in Bavaria 1918/1919» wissenschaftlich mit dem Leben Kurt Eisners. Das Buch wurde 1967 ins Deutsche übersetzt. Ab 1975 folgten zahlreiche wissenschaftliche Publikationen von Eisners Enkelin, der Historikerin Freya Eisner, unter anderem eine kurze Biographie (1979). 2001 schließlich legte Dr. Bernhard Grau abseits der bisherigen Aufsatzliteratur mit seiner Dissertation die bisher umfangreichste Darstellung zu Leben und Werk Kurt Eisners vor. Als bisher jüngster großer Meilenstein erscheinen seit 2016 die Kurt-Eisner-Studien, eine Reihe des New Yorker Geschichtsprofessors Dr. Frank Jacob und einiger weiterer Herausgeber. Hier sind insgesamt zehn Bände in Planung, um die reichhaltige Quellenlandschaft mit den letzten elementaren Schriftstücken aus dem Berliner Bundesarchiv zu vervollständigen. Außerdem arbeitet der amerikanische Germanistikprofessor Dr. Albert E. Gurganus aktuell an seinem Lebenswerk, einer weiteren Biographie zu Kurt Eisner, um seine Studien seit den 1980er Jahren endgültig abzuschließen.

(Text von: Riccardo Altieri)