Heute geht man davon aus, dass 3,5 Millionen Menschen vom Verfassungsschutz überprüft wurden. 11.000 Berufsverbotsverfahren wurden geführt. Es kam zu 1.250 Nichteinstellungen, 2.200 Disziplinarverfahren von bereits Beschäftigten und 260 Entlassungen. Der damalige Bundeskanzler Willi Brandt (SPD), der sich 1972 mit den Ministerpräsidenten der Länder auf den sogenannten «Radikalenerlass» verständigte, erkannte in ihm später einen großen Fehler. Der niedersächsische Landtag entschuldigte sich als einziger Landtag im Jahre 2016 bei den Betroffenen. Bayern ist davon weit entfernt. Im Gegenteil: Der bayerische Staat verlangt von Lehrenden, die zukünftig im Staatsdienst arbeiten möchten, quasi eine «Selbstüberprüfung». Dafür legt er ihnen den «Fragebogen zur Prüfung der Verfassungstreue*» zum Ankreuzen vor. Aufgelistet werden dort auch linke Organisationen und Parteien, die eines gemeinsam haben: Es sind legale Organisationen. Die GEW Bayern fordert deshalb die Abschaffung dieses Fragebogens und die Rehabilitierung sowie Entschädigung der vom sogenannten «Radikalenerlass» Betroffenen. Weitere Infos: www.gew-bayern.de/berufsverbote
Dossier der Rosa-Luxemburg-Stiftung zum Thema: klick hier
In Kooperation mit der GEW Bayern, dem BdWi und dem DGB Bildungswerk Bayern hat der Kurt-Eisner-Vereins folgende digitale Veranstaltungsreihe zu «50 Jahren Berufsverboten» organisiert: Flyer klick hier
50 Jahre „Radikalenerlass“
Mittwoch, 02.02.2022, 18:00 Uhr bis 20:00 Uhr
Referentin: Dr. Alexandra Jaeger (Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg), Online-Reihe BdWi-Mittwoch
Am 28. Januar 1972 verabschiedete die Ministerpräsidentenkonferenz der Länder zusammen mit dem damaligen Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) mit ihren „Grundsätzen zur Frage der verfassungsfeindlichen Kräfte im Öffentlichen Dienst“ den sog. „Radikalenerlass“. Infolgedessen wurden insbesondere vielen Personen aus der politischen Linken die Anstellung im öffentlichen Dienst verweigert; für viele Betroffene kam dies einem Berufsverbot gleich. Für den BdWi waren diese Berufsverbote ein wichtiger Impulsgeber für die Neubelebung des Verbandes in den 1970er Jahren.
Gemeinsam mit dem DGB Bildungswerk Bayern, dem Kurt-Eisner-Verein und der GEW Bayern greift der BdWi das 50-jährige Jubiläum des „Radikalenerlasses“ im Rahmen der Online-Veranstaltungsreihe „BdWi-Mittwoch“ für einen kritischen Rückblick auf: Die Zeithistorikerin Alexandra Jaeger erläutert die Entstehungsgeschichte des Erlasses und zeichnet nach, was seine Umsetzung in der Praxis für die Betroffenen bedeutete. Im Anschluss an den Vortrag wird ausreichend Zeit für die Diskussion mit den Teilnehmer*innen zur Verfügung stehen.
Einwahldaten: BdWi-Mittwoch: 50 Jahre "Radikalenerlass":
www.global.gotomeeting.com/join/810908517
Sie können sich auch über ein Telefon einwählen. Deutschland: +49 721 6059 6510
Zugangscode: 810-908-517
Marksteine der GEW-Geschichte: »Radikalenerlass« – Berufsverbote – Unvereinbarkeitsbeschlüsse
Mittwoch, 16.02.2022, 18:00 bis 20:00 Uhr
Referenten: Dr. Marcel Bois (Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg), Wolfram Bundesmann (ehemaliger Geschäftsführer der GEW Bayern)
Im Januar 2022 jährt sich zum 50. Mal die gemeinsame Entschließung der Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler zum Thema »Radikale im öffentlichen Dienst«, mit der das Startzeichen zur bundesweiten Berufsverbotspraxis gegen Mitglieder sowie Förderer und Förderinnen linker politischer Gruppierungen gesetzt wurde. Und nur kurze Zeit später (1973) verkündete der DGB seine »Unvereinbarkeitsbeschlüsse«, die sich zu einem großen Teil gegen denselben Personenkreis richteten. Über die Folgen und auch über die inneren Zusammenhänge dieser beiden Ereignisse in den Gewerkschaften auf Bundesebene und in Bayern wollen wir an diesem Abend reden.
Einwahldaten: https://meet.gew-bayern.de/berufsverbote (Bitte benutzt dafür den Google-Chrome-Browser. Firefox unterstützt den Link nicht.)
Wie der »Radikalenerlass« Biografien beeinflusste – Betroffene erzählen
Mittwoch, 09.03.2022, 18:00 bis 20:00 Uhr
Referent*innen: Lisa Mohr, Angela Rauscher, Andreas Salomon, Fritz Sendelbeck
Auch und vor allem in den Reihen der GEW waren Kolleg*innen von den Berufsverboten betroffen. In dieser Onlineveranstaltung kommen Betroffene zu Wort. Sie erzählen uns ihre Geschichte und wie das Berufsverbot ihren weiteren Werdegang beeinflusste. Im Anschluss können die Teilnehmer*innen Fragen stellen. Zum Abschluss werden im Dialog mit der GEW-Landesvorsitzenden Martina Borgendale noch Erwartungen an Politik und Gesellschaft formuliert, wie ein Umgang mit den Betroffenen und dem Thema nun 50 Jahre später aussehen sollte.
Einwahldaten: https://meet.gew-bayern.de/berufsverbote (Bitte benutzt dafür den Google-Chrome-Browser. Firefox unterstützt den Link nicht.)
Grenzen der Kunstfreiheit: Lehramt in Bayern und »staatskritische« Rap-Musik
Mittwoch, 16.03.2022, 18:00 bis 20:00 Uhr
Referent: Lea-Won alias Lion Häbler
Als Lehramtsanwärter an oberbayrischen Mittelschulen wurde ihm schnell klar: Lion Häbler wird von ihm anvertrauten Schüler*innen online per Suchmaschine gefunden, Vorgesetzte sind erstaunt über Social-Media-Auftritt und Rap-Videos und bald urteilt die Regierung von Oberbayern: »staatskritisch«. Die Folge: Nachfragen, Drohungen und Entscheidungsdruck auf sowohl informeller als auch formeller Ebene. Aufgehangen (und hängengeblieben) an einem Rap-Lied, das 13 Jahre zuvor als polemischer Kommentar im Kontext der rechtspopulistisch aufgeladenen Leitkulturdebatte als antirassistische Solidaritätsbekundung gemeint war.
Wir diskutieren über das »Korsett« Beamtentum inklusive eingeschränkter Meinungs- und Kunstfreiheit sowie über gesellschaftliche Entwicklungsaufgaben hinsichtlich Medienkompetenz in der Doppelrolle: als staatsdienende Lehrkraft und kritische*r Bürger*in.
Einwahldaten: https://meet.gew-bayern.de/berufsverbote (Bitte benutzt dafür den Google-Chrome-Browser. Firefox unterstützt den Link nicht.)
Bildungsarbeit als Extremismusprävention? Das Konzept der »wehrhaften Demokratie« und seine Anwendung in aktuellen Förderprogrammen
Dienstag, 29.03.2022, 18:00 bis 19:30 Uhr
Referentin: Prof. Dr. Julika Bürgin (Hochschule Darmstadt)
Vereine und Initiativen, die durch Bildungs-, Beratungs- und Netzwerkarbeit die Demokratie weiterentwickeln, sehen sich derzeit mit folgenreichen Veränderungen in der staatlichen Förderpolitik konfrontiert. Auf Basis des Konzepts der »wehrhaften Demokratie« wird politische Bildungsarbeit zunehmend als Form der »Extremismusprävention« angesehen – mit weitreichenden Folgen für die Autonomie der freien Träger. Auf diese Weise, so die These des Vortrags, wird Bildungsarbeit präventionspolitisch instrumentalisiert und – flankiert durch den Verfassungsschutz – in eine polizeiliche Ordnung eingepasst.
Einwahldaten: https://dgbbildungswerkbayernev.my.webex.com/dgbbildungswerkbayernev.my/j.php?MTID=m4789696632b5e002baa0747846ecdb5c