Nachricht | Kultur / Medien - Geschlechterverhältnisse - Jugendbildung über das leidige Beantragen...

"die antragsprosa und die fördermörder" by sookee

die antragsprosa und der fördermörder

ich will erneut was gutes tun im rahmen meiner arbeit. mit staatskohle und senatskohle und pinunsen aus dem topf mancher stiftung. ich schnupper ins feld und schraube eine idee. und schreibe einen text für die mittel. ich binde mir ein schürzchen um und bediene den jeweiligen formalismus. nachher klingt das schematisch etwa so:

das projekt benötigt die beantragten operativen- und verwaltungsmittel für die implementierung vielfältiger aktivitäten unter der berücksichtigung der interessengeleiteten demokratieförderung in kooperation mit lokalen akteuren und dem ausbau der regionalen netzwerke zur integration bildungsbenachteiligter jugendlicher mit migrationshintergrund. die entwicklung und entfaltung jugendgerechter perspektiven auf die neuen herausforderungen der impulse zur politischen bildung und kulturarbeit in hinblick auf die partizipation in der gemeinwesen- und handlungsorientierung wird an strukturelle standards aktueller diversity ansätze rückgebunden. hierbei steht insbesondere die qualitätssicherung umfassender prozesse der lebensweltlichen beteiligung vor ort zur förderung und stärkung von basis-, kern-, fach-, sach-, sozial-, sprach-, methoden- und handlungskompetenzen im vordergrund, sodass auf die heterogenität prekärer lagen in der persönlichkeitsentwicklung im kontext von gewaltpräventiver installation des gender mainstreaming und interkultureller pädagogik fokussiert wird. die nachhaltigen innovativen ansätze unterstützen die arbeitsmarktrelevante zielgruppenerreichung, welche diverse diskriminierungsebenen und ausgrenzungsmechanismen im sinne der bekämpfung gruppenbezogener menschenfeindlichkeit im blick hat. multiplikatorenfortbildungen flankieren die sensibilisierung für den peer-learning-ansatz bezüglich der geschlechtergerechten ressourcenzugänge im alltäglichen kerngeschäft.
förderkriterien ... schlagwörter abarbeiten ... worthülsentammtamm ... haken dahinter!

das, was mit den jugendlichen tatsächlich passiert, ist meilenweit entfernt von dem, was in der antragsprosa verschleiert und verklausuliert ist.
politische bildung etwa bedeutet da unter anderem, dass ich mit den jungs die möglichen unterschiede zwischen einer hure, einer nutte und einer schlampe diskutiere, weil es wichtig für sie ist. Und ich bin froh drum, und sprech gern mit ihnen, denn andernfalls befragen sie im internet die protagonisten der pornorap szene und kriegen antworten, die sie glauben lassen, dass frauen schlechte menschen sind, wenn sie promisk leben. und politische bildung bedeutet auch, dass sie ich ihnen angebote mache ihre wahrnehmung zu schärfen, wenn die lehrer in der schule ihnen die guten noten nicht zugestehen, weil deren vorstellungsvermögen ihnen eine erstaunliche rhetorik oder gewitzte ideen und clevere umsetzungen nicht zutraut.
und die politische bildung umfasst auch, dass wir uns austauschen darüber, ob das system, in dem sie lernen und das sie beurteilt, gerecht ist und, ob sie das gefühl haben ehrliche chancen zu bekommen. ich sage ihnen, dass ich die erfahrung gemacht hab, dass es oft nach dem teile-und-herrsche-prinzip funktioniert und hierarchien schafft, in denen es klassenbeste gibt und innen drinnen tränen verursacht und über bildungbiographien entscheidet.
und dann überlegen wir gemeinsam, wie sich was ändern ließe und was wir dazu beitragen können und dergleichen. und wenn ich den formalismus der fördertöpfe anständig bedient hab, gibt es möglichkeiten aktiv zu werden und loszulegen und konkret was zu rocken und alle lernen gemeinsam daran.

die töpfe stehen in einer gesellschaft rum, die sich damit rühmt, vielfalt zu begrüßen und zu fördern. modern und zeitgemäß will sie sein diese gesellschaft. blöd nur, dass sie dann im realitätsabgleich regelmäßig vercheckt, dass sie nur ihre mehrheit legitimiert und normativ ist gegenüber den erklärten anderen. den kanaken, junks und transen. den nutten und asylanten, den asis und den homos, den teeniemüttern und schulverweigerern. sie müssen sich beweisen und gut sein nach den leistungsmaßstäben derjenigen, die nie drum kämpfen mussten, weil ihnen die vielfalt der privilegien so vertraut ist.

aber ein wohlwollendes lächeln macht sich ganz gut, wenn der antrag abgelehnt wird: die berücksichtigung der förderkriterien wurde nicht stark genug hervorgehoben.

sookee.de/ // dezember 2010