Das Doktorand*innenjahrbuch «Work in Progress. Work on Progress» feiert ein Jubiläum. Das Jahrbuch 2020 ist die zehnte Veröffentlichung dieser Reihe, die seit ihren Anfängen kritische Wissenschaft gegen den neoliberalen Mainstream (kultur-)industrieller Wissensproduktion an den Universitäten und Hochschulen behauptet – in Zeiten, in denen Fake News und Herrschaftswissen oft mehr Anklang finden als wissenschaftliche Fakten, sowohl in den Gesellschafts- wie auch in den Naturwissenschaften. «Der Name der Publikationsreihe des Studienwerks ist ein Auftrag», schreibt die ehemalige Promotionsstipendiat*in und Mitherausgeberin des ersten Jahrgangs aus 2011 Susanne Mansee, «ein Auftrag, auch eine Verpflichtung, einem gesellschaftlichen Ideal zu folgen als Leitstern allen Handelns, Denkens, Schreibens.»
Wir bedanken uns bei allen, die an den zehn Jahrgängen tatkräftig und intellektuell mitgewirkt haben und für dieses Jubiläumsjahr insbesondere bei dem stipendiatischen Herausgeber*innenkollektiv, dem Elisa Gerbsch, Leon Junker, Friederike Nastold, Josephina Schmidt, Stefan Seefelder, Franziska Werner und Christopher Wimmer angehörten.
Wir freuen uns, euch den Jubiläumsband des Doktorand*innen-Jahrbuchs «Work in Progress. Work on Progress» vorlegen zu können. Zum zehnten Mal geben Stipendiat*innen der Rosa-Luxemburg-Stiftung auf diese Weise nicht nur einen Einblick in die Themenfelder ihrer aktuellen Forschungsarbeiten, sondern auch in ihre ganz persönliche Arbeitsweise. Diese ist durch die COVID-19-Pandemie in diesem Jahr in besonderer Weise beeinflusst: Bibliotheken und Universitäten wurden geschlossen, ein Großteil der wissenschaftlichen Arbeit verlagerte sich nach Hause, Treffen fanden eine Zeit lang nur online statt und die wissenschaftliche Vernetzung, der Austausch und Diskussionen waren nur noch eingeschränkt möglich. Diese plötzlich veränderten Rahmenbedingungen machten Verwerfungslinien sichtbar, die unseren linken Forschungsalltag bisher eher unauffällig begleiteten.
10 Jahre Jahrbuch der Doktorand*innen der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Unter den Corona-Bedingungen brachen alte und neue Fragen auf, die wir uns als kritische Wissenschaftler*innen während unserer Arbeit an diesem Jahrbuch gestellt haben. So fragten wir uns infolge der gesellschaftlich geäußerten und zum Teil als wissenschaftlich gelabelten Kritik sogenannter ‹Corona-Leugner›, was Kritik und was kritische Wissenschaft eigentlich ist und wie wir unsere Auffassung von linker Kritik – speziell mit diesem Buch – umsetzen können und welche Chancen und Möglichkeiten sich für wissenschaftliches Arbeiten hieraus ergeben. Wir fragten auch nach unseren persönlichen Erfahrungen bei der Wissensproduktion unter Pandemiebedingungen. Konnten sich Herrschaftsverhältnisse verstärken? Sind wir in der Lage, eigene Privilegien in diesem Kontext zu reflektieren? Und welche Fluchtpunkte können wir im solidarischen Umgang miteinander schaffen?
Die Antworten, die wir auf diese Fragen gefunden haben, sollen einerseits in das Doktorand*innen-Jahrbuch einleiten und andererseits auch Lust darauf machen, wieder in den gemeinsamen Austausch- und Diskussionsprozess einzutreten. Kritische Wissenschaft ist ein gemeinsames Erstreiten von Ideen, und so ist es unabdingbar, (Gedanken-) Räume zu finden, in denen wir immer wieder neu zusammenkommen.
Inhalt:
Einleitung
- Kritische linke Wissenschaft in Zeiten der Corona-Pandemie
Erkenntnistheorie und Methodik
- Helen Akin
Adornos Reflexionen über die Dialektik der Entfremdung
Überlegungen zur Neuen Klassendiskussion - Josephina Schmidt
Andere Frauen?
Relationale (Selbst-)Reflexion von Gleichheit und Differenz am Beispiel des Promotionsprojekts ›Frauen in sozialpsychiatrischen Wohnheimen‹ - Alp Kayserilioğlu
Die Rolle der »zentralen Despotie« im nachholenden Übergang zum Kapitalismus
Die Elemente einer anderen Geschichtstheorie bei Karl Marx - Danny Krämer
Analytische Philosophie und ihr Potenzial für radikale Politik
Arbeit
- Julian Flores
Genossenschaften und sozialistische Weltanschauung - Janine Walter
Global Framework Agreements
Gewerkschaften und internationale Arbeitsrechte im Kreml-Kapitalismus - Regina Rossi
Help me if you can!
Das Problem und Potenzial der Freiwilligkeit in Festivals – Am Beispiel der HALLO: Festspiele
Politische Ökonomie
- Christopher Wimmer
Die Trennlinie der Würde
Zur historischen Kontinuität der Klasse der Ausgeschlossenen - Sabine Hollewedde
Der Begriff der Freiheit in der kritischen Theorie
Über Grundlagen in der Kritik der politischen Ökonomie
Körper – Macht – Identität – Gender
- Sabrina Saase
Intersectional Privilege awareness traveling into psychology – an unsafe travel or a potential for social justice? - Mathias Foit
Recovered, or Not Recovered, That Is the Question, or Whose History Is It?
Questions of Ownership and Nationalism in (Queer) History - Riccardo Altieri
Rosi Wolfstein (1888-1987)
Einblicke in eine Jahrhundert-Biographie - Gabriela Ardila Biela
Fußball von Frauen gespielt in Kolumbien
Zur Notwendigkeit des Schreibens über dessen Geschichte und den historiografischen Herausforderungen - Jan Pöhlmann
Die Implementierung des Gesetzes der Ko-Offizialisierung von Sprachen in Brasilien
Emanzipation und Utopie
- Janette Otterstein
Von der Entfremdung zur Emanzipation
Identität(spolitik) in der kapitalistischen Gesellschaft - Ramazan Mendanlioglu
Geschichte und Gegenwart der »Frauenrevolution« in Rojava - Münevver Azizoğlu-Bazan
Wer darf sich mit wem solidarisieren?
Die Solidritätsperspektive der kurdischen Frauenbewegung - Seraphine Noemi Meya
Die große Unterbrechung
Eine Welt von morgen im Spiegel von Corona - Johanna Lohfink
Erwachsene Kindlichkeit als Vorbedingung einer Utopie der Familie
Überlegungen in Anschluss an Theodor W. Adorno
Nachwort
- Marcus Hawel
Gelingendes Promovieren mit links
Zehn Jahre »Work in Progress. Work on Progress«
Das Buch ist im VSA: Verlag erschienen und kann dort bestellt werden. Es wird unter den Bedingungen einer Creative Commons License veröffentlicht: Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivs 3.0 Germany License.