Entstanden beim Studium der Sozialpädagogik.
Von Annette Back.
Neue Kritik aus Schule und Hochschule • Heft Nr. 3 • August 2002
Mit der Reihe Neue Kritik aus Schule und Hochschule bietet der Kurt-Eisner-Verein für politische Bildung in Bayern e.V. eine Möglichkeit,Arbeiten zu veröffentlichen, die im Zusammenhang der Schul-, Studien- oder Berufsausbildung, in der Gewerkschaftsjugend oder einem selbstorganisierten Arbeitskreis entstanden sind. Die bearbeiteten Themen sollten allgemein interessante Probleme behandeln, die im weiten Sinn politische Relevanz besitzen.
Mit der Veröffentlichung in dieser Reihe erhalten die Autorinnen und Autoren die Chance, ihre oft aufwendig recherchierten Positionen einem breiteren Kreis vorzulegen. Für die Leserinnen und Leser werden kritische Anstrengungen, die sich für emanzipative Ziele einsetzen, nutzbar gemacht. So verschwinden Arbeiten nicht einfach in der Schublade, sondern erfahren die Kritik und Würdigung von Interessierten, die im Ausbildungsbetrieb leider nicht immer selbstverständlich ist.
Vorwort:
Die Themen Sterben, Trauer und Tod, vorher alleiniges und klassisches Gebiet der Religionen, erfahren in der letzten Zeit zunehmend wissenschaftliches und auch gesellschaftliches Interesse.
Im Zuge dieser Entwicklung gewinnt auch die Hospizbewegung mit ihren Grundsätzen immer mehr an Bedeutung und Anerkennung. Die Veränderung im Umgang mit diesen Themen zeigt sich u.a. auch in der Fülle von Literatur, die in den letzten Jahren erschienen ist.
Doch auch in diesem umfangreichen Material ist es schwierig, Arbeiten zu finden, die diese Thematiken aus einer geschlechtsspezifischen Sicht- und Frageweise betrachten.
„Ich gehe davon aus, dass der Bruchteil der Sekunde, wenn man direkt auf seinen Tod trifft, entweder für alle Menschen gleich ist oder für jeden einzelnen Menschen etwas völlig anderes ist. Wir haben keine Möglichkeit, das herauszufinden. Die Reisenden kommen nicht zurück. Aber alles, was vor dem Tod liegt, kann natürlich nicht von Männer und Frauen mit den gleichen Augen gesehen werden: Dazu gehört die soziale Einordnung der Haltung zum Tod, zur Betreuung sterbender Menschen, zur Trauer um die Toten und zum Verlust von Kindern, Eltern, Liebhabern, Freunden, Feinden und der Familie. Und selbstverständlich zählt hierzu auch die Reaktion auf die eigene, unheilbare Krankheit und das drohende Ableben.“1
Diese grundlegende Sichtweise ist Ausgangspunkt für Sally Clines Buch „Frauen sterben anders“, eine der wenigen Arbeiten, die ich zu diesem Thema gefunden habe. Sie kritisiert dort, dass auch in der feministischen Forschung, die seit Jahrzehnten geschlechtsspezifische Unterschiede in den verschiedensten Bereichen aufdeckt, die Themen Sterben und Tod bislang ignoriert wurden und fordert hier eine andere Sichtweise.
„Das Sterben hat sich nicht etwa als resistenter gegen patriarchale Eingrenzung, Machtungleichheit und geschlechtsspezifische Unterschiede erwiesen. Die vom Geschlecht bestimmten Strukturen um den Tod sind nur noch nicht aufgedeckt worden.“2
Cline beschäftigt sich in ihrem Buch, das sie als „eine Art erster Entdeckungsreise“ ansieht, aus verschiedensten Blickwinkeln mit der Thematik Sterben und Tod im Leben von Frauen.
Auch die in der Altenarbeit tätige Pastorin Gabriele Arnold kritisiert das Fehlen der geschlechtsspezifischen Aufarbeitung von Sterben und Tod. Sie stellt in ihrem Artikel „Frauen Leben – Frauen Sterben – Im Tod sind alle Menschen gleich – stimmt das etwa nicht?“3 ihre Erfahrungen mit dem unterschiedlichen Sterben von Frauen dar. Dabei benennt sie biographische Einflüsse, „Frauen leben länger mit dem Tod“ aber auch einen grundsätzlichen anderen Umgang „Männer sterben aktiv – Frauen erleiden den Tod“, den sie mit den anderen Lebenserfahrungen von Frauen begründet.
Wie unüblich meine Fragestellung nach spezifischen Bedürfnissen von Frauen an die Hospizarbeit ist, zeigte sich auch in den Gesprächen, die ich im Vorfeld meiner Arbeit mit verschiedenen Hospizeinrichtungen geführt habe. Dort stieß ich erst einmal auf Befremden. Eine geschlechtsspezifische Sichtweise wurde teilweise im Bezug auf die begleitenden Frauen eingenommen, für die begleiteten Frauen wurde immer wieder die These vom individuellen Sterben, das man nicht verallgemeinern könne, formuliert.
Meine Nachfrage weckte jedoch z.T. Interesse und es kamen andere Erfahrungen zum Vorschein. Im folgenden zitiere ich aus einem Brief, den ich von einer Mitarbeiterin der Deutschen Hospizstiftung, im Anschluss an ein Telefonat mit ihr, erhielt:
„Ihre Frage nach Unterschieden in den Bedürfnissen und in der Art der Sterbebegleitung bei Männern oder Frauen war auch bei uns Anlass für ein interessantes Gespräch. Ich denke, auch aus persönlicher Erfahrung heraus, dass Frauen auf Grund ihrer besser entwickelten Fähigkeit Emotionen auszudrücken und emotionale Handlungen (z.B. tröstender Körperkontakt) anzunehmen, in anderer Weise begleitet werden als Männer.“
Auch in anderen Gesprächen wurde deutlich, dass viele in der Hospizarbeit Tätige über unterschiedliche Erfahrungen in der Begleitung von Männern und Frauen verfügen, diese aber (zuerst einmal) nicht aus der geschlechtsspezifischen Perspektive betrachten.
Ich möchte meine Arbeit unter diesen Blickwinkel stellen und Bedürfnisse von Frauen an die Hospizarbeit beleuchten. Dazu habe ich im ersten Teil die Begrifflichkeiten dieser Arbeit dargestellt. Die Gender-Debatte ist die theoretische Grundlage für die Annahme von spezifischen Bedürfnissen von Frauen. Geschlechtsspezifische Aspekte der von mir ausgewählten Kategorien Körperlichkeit, Moral/Fürsorge und Biographie finden sich im zweiten Teil. Um die Praxis in meine Überlegungen einzubringen, habe ich Interviews mit Hospizhelferinnen und mit einer Bestattungsunternehmerin geführt. Diese Gespräche sind die Basis meiner Auswertung, die den letzten Teil der Arbeit bildet.
1 Cline, Sally: Frauen sterben anders. Bergisch Gladbach, 1997, S. 22
2 ebenda, S. 23
3 Arnold, Gabriele: Frauen Leben – Frauen Sterben – Im Tod sind alle Menschen gleich – stimmt das etwa nicht?. In: Clio – Eine Zeitschrift für Frauengesundheit. Nr. 48, 1999, S. 20 - 21
Die Interviews sind im Anhang vollständig dokumentiert, zur Auswertung werden lediglich Ausschnitte zitiert. Für die Schreibweise habe ich die „Innen“-Form gewählt. Dank gilt meinen Interviewpartnerinnen für ihr Vertrauen und ihre Offenheit.
Dank auch an alle, die mitgetragen und ausgehalten haben.