Empowerment als Strategie in der Entwicklungshilfe

Zwischen eurozentrischem Entwicklungsdiskurs und unabhängiger kultureller Identität. Heft Nr. 5, 148 Seiten, DIN A5. Von Elisabeth Hoffmann.

Zwischen eurozentrischem Entwicklungsdiskurs und unabhängiger kultureller Identität.
Von Elisabeth Hoffmann.

Neue Kritik aus Schule und Hochschule • Heft Nr. 5 • Dezember 2003 Mit der Reihe Neue Kritik aus Schule und Hochschule bietet der Kurt-Eisner-Verein für politische Bildung in Bayern e.V. eine Möglichkeit,Arbeiten zu veröffentlichen, die im Zusammenhang der Schul-, Studien- oder Berufsausbildung, in der Gewerkschaftsjugend oder einem selbstorganisierten Arbeitskreis entstanden sind. Die bearbeiteten Themen sollten allgemein interessante Probleme behandeln, die im weiten Sinn politische Relevanz besitzen. Mit der Veröffentlichung in dieser Reihe erhalten die Autorinnen und Autoren die Chance, ihre oft aufwendig recherchierten Positionen einem breiteren Kreis vorzulegen. Für die Leserinnen und Leser werden kritische Anstrengungen, die sich für emanzipative Ziele einsetzen, nutzbar gemacht. So verschwinden Arbeiten nicht einfach in der Schublade, sondern erfahren die Kritik und Würdigung von Interessierten, die im Ausbildungsbetrieb leider nicht immer selbstverständlich ist.
 

Vorwort:

Die Aktionsplattform der Internationalen Frauenkonferenz in Peking 1995 verabschiedete ein „Programm zur Herbeiführung der Machtgleichstellung der Frau“. Es hat das Ziel, „alle Hindernisse zu beseitigen, die der aktiven Teilhabe der Frau in allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens entgegenstehen, indem ihre volle und gleichberechtigte Mitwirkung an den wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Entscheidungsprozessen sichergestellt wird.“ (zitiert bei FES 2001) Machtgleichstellung wird dort mit dem Begriff „Empowerment“ gleichgesetzt. Dieses sei die Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit und das Instrument Gleichberechtigung, nachhaltige Entwicklung und Frieden zu erreichen (FES 2001). Seit Peking wurde Empowerment zum Programm sämtlicher Entwicklungsorganisationen sowohl in den Industriestaaten wie auch den sogenannten Entwicklungsländern. Auch UN Generalsekretär Kofi Annan sieht, wie die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, im Empowerment der afghanischen Frauen „ein wichtiges Instrument um Armut und Krankheit zu bekämpfen“ (SZ, 8.März 2002, S.17). In Bangladesh vergibt die Grameen Bank Kleinkredite an Frauen, um diese durch ein Startkapital zur Selbsthilfe zu ermächtigen, denn Frauen seien die „wirksamste Waffe gegen Armut“, wie der Bankbesitzer Muhammad Yunus meint (SZ, 10./11. April 1999. S111). Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, was unter Empowerment von Frauen in der sogenannten „Dritten Welt“ verstanden wird und wie dieses erreicht werden soll. Empowerment ist eine Strategie innerhalb der Entwicklungszusammenarbeit, weshalb es unerlässlich ist, auch über den Entwicklungsdiskurs zu sprechen. Im ersten Teil der Arbeit wird daher zunächst die historische, kulturelle und ideologische Entstehung des Entwicklungsbegriffs betrachtet. Dazu gehörende Konstrukte wie Armut und Unterentwicklung sowie die Strategien nachholende bzw. nachhaltige Entwicklung werden analysiert. Meine These ist, dass der Entwicklungsgedanke, und somit die Idee des Empowerment, wie sie von den Industrienationen vertreten wird, auf einer eurozentrischen Weltsicht basiert, die ihre Lebensweise zur Universalität erklärt und mit Hilfe politischer, wirtschaftlicher und nicht zuletzt ideologischer Macht den Entwicklungsländern überstülpt. Die Bilder von Menschen anderer Kulturen, die in der „entwickelten“ Welt vorherrschen, stehen in direkter Fortsetzung zu den Stereotypen, die in der Kolonialzeit von den eroberten Völkern entworfen wurden, womit sich ein Abschnitt des Kapitels beschäftigt. Um eine Klärung der Begriffe „Erste“ und „Dritte Welt“, „Nord“, „Süd“, IL und EL etc. sowie Entwicklungszusammenarbeit und Entwicklungshilfe bemüht sich der letzte Abschnitt des ersten Teils. Der Hauptteil der Arbeit befasst sich mit verschiedenen Strategien des Empowerment. Im ersten Kapitel dieses Teils werden Konzepte zur Frauenförderung der Entwicklungszusammenarbeit vorgestellt, anhand derer das in den Industrienationen vorherrschende Verständnis von Empowerment und der Rolle der Frauen im Entwicklungsprozess deutlich wird. Bevölkerungspolitik, bzw. Familienplanung, ist einer der wichtigsten Aspekte der frauenbezogenen Entwicklungshilfe. Die Politik der Geburtenkontrolle verdeutlicht in besonderem Maße das „Dritte Welt“- und Frauenbild des Westens, weshalb der letzte Abschnitt des Kapitels diesem Thema gewidmet ist. Die Erwartungen, die Frauen in Entwicklungsländern an Empowerment stellen, und die Wege, die sie einschlagen dieses zu erreichen, unterscheiden sich von den Vorgaben der „nördlichen“ Entwicklungsorganisationen grundlegend. Im zweiten Kapitel werden drei Organisationen und ihre Sicht zum Empowerment vorgestellt. Zudem geht es um das unterschiedliche Verständnis von Macht. Das dritte Kapitel des Hauptteils befasst sich schließlich direkt mit dem Eurozentrismus und seinen Folgen für die Entwicklungsländer. Es wird gezeigt, dass die Einmischung der Industrieländer nicht nur einen der Gründe für ihre Armut, sondern ein grundlegendes Hindernis zum Empowerment darstellt. Alternativen können nur durch eigene Konzepte und Strategien entwickelt werden, die auf der kulturellen Identität der Menschen aufbauen. Da Empowerment ursprünglich ein feministisches Konzept war, ist es notwendig sich auch mit dem feministischen Diskurs zu befassen, der im Westen stark durch den Eurozentrismus geprägt ist und ebenso wie das Entwicklungsdenken die Eigenständigkeit und Gleichwertigkeit anderer Kulturen nicht anerkennt. Im dritten Kapitel des Hauptteils wird außerdem der Begriff der Dominanzkultur erläutert wie auch die Konstruktion einer stereotypisierten „Dritte Welt“-Frau seitens westlicher Feministinnen analysiert. Dem gegenüber steht der sogenannte „Dritte Welt“-Feminismus, in dem Frauen aus Entwicklungsländern, wie z.B. die Organisation DAWN, ihre Sicht von Empowerment und Frauenbefreiung darlegen. Afrozentrismus und Womenism stellen ebenfalls Alternativen zur ideologischen Vorherrschaft des Westens dar. Im Schlussteil der Arbeit gehe ich nach einer kurzen Zusammenfassung der Frage nach, welche Konsequenzen aus dem vorher Analysierten zu ziehen sind, will man die Idee des Empowerment umsetzen bzw. unterstützen. Da die vorliegende Arbeit im Fachbereich Ethnologie verfasst wurde, halte ich es abschließend für wichtig zu überlegen, welche Rolle die Ethnologie innerhalb der Entwicklungspolitik gespielt hat, bzw. spielen kann. Meiner Meinung nach hat sie die Aufgabe sich kritisch in den Diskurs über Entwicklung und Empowerment einzumischen und dem Eurozentrismus entgegenzuwirken, indem kulturelle Differenzen nicht nur dokumentiert, sondern auf eine gleichberechtigte Position gehoben werden.