Stoiber: Nur eine Personaldebatte?

Von Richard Heigl.

Von Richard Heigl.

Nein. Die meisten Medien-Beiträge zum aktuellen Fall Stoibers gehen leider über das Niveau von Personality-Shows kaum hinaus. Aber der Beitrag von Peter Nowak auf  telepolis weist erfreulicherweise in eine andere Richtung. Nowak fragt nach notwendigen Modernisierungs- und Demokratisierungsprozessen in der CSU. Er deutet an, dass die unterschiedlichen Seilschaften auch spezifischen Interessenslagen entsprechen. Es ist spannend, von hier aus weiterzudenken. Richtig ist zunächst, dass die Kontroverse zwischen Edmund Stoiber und der Fürther Landrätin Gabriele Pauli mit der Person Stoiber selbst zu tun hat. Stoiber hat die Entdemokratisierung der CSU immer weiter betrieben, die Partei auf seine Person zugeschnitten, die Herrschaft der "Experten" erweitert. Dies, wie auch die Selbstherrlichkeit und Anmaßungen Stoibers , wird in der Partei schlicht nicht mehr weiter
getragen.

Schaut man nochmal genauer hin, so zeigt sich, dass die CSU auch zunehmend Mühe hat, die Trägergruppen des gesellschaftlichen Bündnisses in Bayern - zwischen konservativen und liberalen  Strömungen - zusammenzuhalten. Diese versuchen je auf ihre Weise den aktuellen historischen Wandel, den "ihre" CSU selbst mitbetreibt, zu verarbeiten: "Laptop und Lederhose" kann aber, hier hat Nowak recht, die Differenzen der unterschiedlichen ökonomischen Interessen, die dahinter stehen, nicht bzw. immer weniger überdecken.

Die neoliberale Politik, die Bayern auf seine Weise seit den 1990er betreibt, zerstört auch auf dem Land die sozio-kulturellen Zusammenhänge, aus der die CSU ihre Wählerschaft bezog. Es ist die Stimmung der dort betroffenen Gruppen, die Landrätin Pauli vor Augen hat und die Stoiber in ihren Augen nicht mehr sieht.

Pauli gehört zu einer Gruppe, die aus ihrer Perspektive "von unten" nicht nur mehr Demokratie , sondern auch mehr soziales Engagement der Partei fordert. Den Parteifunktionären an der Basis fällt es immer schwerer, die neuen sozialen Zumutungen zu rechtfertigen. Hier vermittelt die CSU zudem den Eindruck, dass sie nicht mehr Herrin der Lage ist, was gerade bei konservativen Gruppen zu einer gewissen Nervosität führt.

Weiter wäre hier das Selbstverständnis der CSU zu bedenken. Das Selbstverständnis einer Partei, die zu Beginn der "fordistischen", keynesianistischen Phase entstand: In Zeiten, in denen es bekanntlich etwas zu verteilen  gab. Ja, kein Land hat vom ökonomischen Umbau der 1950er und 1960er Jahre so profitiert, wie Bayern. Dadurch stabilisert
sich das konservativ-liberale Gesellschaftsbündnis, veränderte sich. Die CSU agierte hierbei unangefochten als politisches Koordinationszentrum und als Akteur. Der geschaffene Wohlstand droht nun in Stadt und Land verloren zu gehen. So sehen die Bildungschancen auch für die Kinder der politischen Trägergruppen mit Einführung von Gebühren oft schlechter aus.

Im Zeitalter des globalen High-Tech-Kapitalismus entfernt sich die CSU auch immer weiter von den Zielen, die sie während ihrer Konstituierungsphase formulierte. Zudem fiel mit der Mauer auch das allesverbindende antikommunistische Feindbild weg.

Nun treten die Differenzen innerhalb der CSU offen zu Tage. Die im engeren Sinne Christ-Sozialen sind in der Defensive gegenüber Rechtskonservativen wie Beckstein und Neoliberalen ala Huber. Ihre "Ziehkinder" (Rechtsextreme und marktradikale in Teilen der JU) lässt für die demokratische Zukunft der CSU nicht Gutes ahnen.

Gleichzeitig kann es sich, und hier kommt wieder eine Frau Pauli ins Spiel, eine demokratische (!) Partei, die weiter an der Basis verankert sein will, nicht leisten, sich aufzuführen wie im Kalten Krieg. Es gibt einen steigenden Druck, sich im Bereich Integration, Offenheit, Bürgerbeteiligung etc. weiterzuentwickeln. Schon um den "Standort Bayern" zu sichern.

Um solche Kämpfe geht es letztlich. Und mit Stoiber, einem politischen Dinosaurier, ist dieser Wandel eben nicht zu vollziehen. Dazu kommen die erheblichen strukturellen Probleme Bayerns, die großen von Nowak angesprochenen ökonomischen und kulturellen Differenzen, wie sie etwa zwischen "Franken" und "Altbayern" bestehen.

Glasnost in der CSU? Das könnte zutreffender sein als anfangs gedacht.

Veröffentlicht auf www.linksnet.de