Zur aktuellen Debatte um das Jugendstrafrecht
von Prof. Dr. Klaus Weber, München. Vorsitzender des Kurt-Eisner-Vereins - Rosa-Luxemburg-Stiftung in Bayern.
Täter im Hintergrund
Roland Kochs Vorschläge zum Jugendstrafrecht sind Teil einer neoliberalen Strategie. marx21 dokumentiert einen Artikel von Professor Klaus Weber. Er tritt als parteiloser Kandidat der LINKEN in München an und lehrt an der Fachhochschule München, Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften (Bereich Resozialisierung).
Der Skandal
Kurz vor Weihnachten schlagen zwei männliche Jugendliche einen 76-Jährigen in einer Münchener U-Bahn-Station zu Boden und bringen ihm schwere Kopfverletzungen bei. Der bayerische Innenmminister Herrmann fordert umgehend die Heraufsetzung der Höchststrafe für solche Straftaten. „Wenn es rechtlich möglich ist, werden wir den türkischen Straftäter ausweisen" (FAZ 27.12.07). Dieser türkische Straftäter, der 20-jährige Serkan A. - ist geborener Münchner. Der zweite Täter ist ein 17-jähriger Grieche. Der hessische Ministerpräsident Koch nutzt den Vorfall, um im Wahlkampf Stimmen zu gewinnen. Er greift SPD, GRÜNE und LINKE an, weil diese einen „Kuschelvollzug wollen" und er warb für Härte im Umgang mit jugendlichen Gewalttätern.
Die Tat ist eine von vielen, die in der Bundesrepublik geschehen. Die Täter werden bestraft werden; bisher wurde gegen die beiden Jugendlichen ein Haftbefehl wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung erlassen. Der Münchner Bürgermeister Ude betonte als erster SPD-Vertreter zu Recht, er finde es ärgerlich, dass CSU-Politiker „immer nach Straftaten sofort dem Gericht vorgreifen und schon wissen, welche ausländerrechtlichen Konsequenzen zu fordern sind" (FAZ 27.12.07).
Tatsache ist - das weiß Herrmann und das weiß Koch - dass die Anzahl der Straftaten von 1997 bis 2006 um 5% gesunken ist; für Hessen gilt, dass bei Gewaltkriminalität der Anteil ausländischer Tatverdächtiger unter 21 Jahren zwischen 1997 und 2006 von knapp 50 auf gut 30 Prozent gesunken ist (SZ 5.1.08). Tatsache ist auch, dass Arrest und Haft für Straftäter (gerade und auch für Jugendliche) nicht dazu führen, diese in die Gesellschaft re-integriert werden können, sondern das Gegenteil: der Kriminologe Christian Pfeiffer spricht von einer Rückfallquote von 70% bei Jugendarrest, von 80% bei Haftstrafen.
Der Skandal ist, dass Roland Koch in Hessen und die CSU in Bayern einen jugendlichen Gewaltakt, wie er tagtäglich in der BRD passiert nutzen, um rassistische sowie law-und-order-Parolen zu verkünden: Peter Ramsauer, CSU-Chef in Bonn, rügt „entrückte Richter", die „Lichtjahre vom Rechtsempfinden der Bevölkerung entfernt" seien (FAZ 8.1.08), Peter Gauweiler kritisiert die lasche Abschiebepolitik mit den Worten: „Es wird zuwenig abgeschoben und zu viel ... hereingelassen" (ebd.); Roland Koch schiebt ein Wahlkampfpapier nach, in dem er in den Raum stellt, es fänden in Deutschland „Hausschlachtungen in der Wohnküche" durch Ausländer statt, welche auch „ungewohnte Vorstellungen zur Müllentsorgung" (FAZ 5.1.08) hätten. Dagegen setzt er „unsere" deutsche „Hausordnung, die einzuhalten sei - denn „Ordnung ist das halbe Leben". Mit rechtsextremer, völkisch-nationalistischer Propaganda schlachtet Koch den Münchener Vorfall aus; die Quittung dafür bekam er von der Hessischen Diakonie ebenso wie vom Zentralrat der Juden. Letztere bezeichnet Kochs Wahlkampf „Fast auf dem Niveau der NPD" (8.1.2008).
Angela Merkel, die Kanzlerin, hat am 9. November 2007 im Bundestag einem Gesetz zur Veränderung des Jugendstrafrechts zugestimmt (auch alle hessischen Abgeordneten), in dem als Ziel des Jugendstrafrechts ausdrücklich festgehalten ist, dass der Erziehungs- und nicht der Strafgedanke an erster Stelle zu stehen habe. Anfang Januar gibt sie mit dem gesamten CDU-Vorstand den Forderungen Kochs nach. In der Wiesbadener Erklärung heißt es: „Die CDU fordert in ihrem einstimmigen Beschluss einen "Warnschuss-Arrest", höhere Jugendstrafen bei schwersten Verbrechen und eine schnellere Abschiebung in bestimmten Fällen" (Spiegel Online 5.1.08).
Das Problem
Jugendkriminalität, jugendliche Mehrfachstraftäter, Intensivstraftäter: Das Problem ist Fachleuten und Politikern bekannt; mithin wird politisch nichts getan, was zu einer positiven Veränderung der Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen führen könnte, damit diese erst gar nicht in den Kreislauf der Gewalt geraten (vgl. Leitthesen zum 27. Deutschen Jugendgerichtstag September 2007): Effektive Jugendpolitik, die auf Ausgleich bestehender sozialer Nachteile und die soziale Integration ausgerichtet ist. Keiner der Politiker stellt einen Zusammenhang zwischen der großen Anzahl (25%) von Kindern, die auf Sozialhilfeniveau leben und der Frage, welche Perspektiven solche Kinder später haben werden. Niemand spricht davon, dass seit Jahren Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe kaum mehr im Sinne der Problemlagen von Kindern und Jugendlichen aufgebracht werden - sondern alleine nach der Devise: Jugendämter müssen sparen und wenn die Jugendlichen darunter leiden.
Täter müssen - frühzeitig nach ihrer Tat - aktiv an der Konfliktschlichtung und der Folgenminimierung mitwirken können. Egal, welche Maßnahmen und Sanktionen gerichtlich als notwendig angesehen sind, zur Resozialisierung führt nur ein Weg: die (personen-)intensive und hartnäckige Auseinandersetzung mit den Tätern, denen die Hintergründe und Folgen ihrer Taten durch erzieherische Maßnahme klargemacht werden können und müssen. Einsicht ist jedoch nur dann zu haben, wenn gleichzeitig Chancen für eine lebenswerte und sinnvolle Zukunftsgestaltung für die Jugendlichen erkennbar sind.
Kein Fallenlassen: Kriminalpolitik, die auf Ausgrenzung baut (Arrest, Haft, Abschiebung etc.), widerspricht dem verfassungsrechtlich fundierten Resozialisierungsauftrag in unserem Land uns wären in ihren gesellschaftlichen Auswirkungen verheerend. „Ein Fallenlassen ist auch dann keine Alternative, wenn junge Menschen schwere bis schwerste Straftaten begangen haben oder sich als schwierige oder hartnäckig auffällige Täter erweisen". Jugendstrafrecht kann nicht das ausgleichen, was in anderen politischen Feldern über Jahre und Jahrzehnte vernachlässigt wurde. Für eine demokratische Gesellschaft wäre es ein Armutszeugnis, wenn sie nicht in der Lage wäre, ihre Jugendlichen - egal welcher Herkunft und welchen Alters - sozial zu integrieren.
Dass fast 90% aller Straftaten von Männern verübt werden, wird im Rahmen der aktuellen Debatte nicht erwähnt. Das mag damit zusammenhängen, dass viele der männlichen Straftaten von Politikern fast jeder Couleur geflissentlich übersehen wenn nicht gar „entschuldigt" werden: Vergewaltigungen nach Fußballfesten und -spielen; Randalieren in Zügen und Bahnhöfen nach sportlichen Massenspektakeln; massenweise Schlägereien und andere Delikte bei staatlich geförderten und erwünschten Großveranstaltungen (z.B. dem Münchner Oktoberfest).
Zusammenhänge
Die GRÜNEN werfen den Propagandisten der CDU - insbesondere Roland Koch und der CSU - vor, deren Wahlkampfstrategie sei „billig und niederträchtig" und es sei schäbig, dass Angela Merkel sich den Forderungen Kochs angeschlossen habe. Was weder GRÜNE noch SPD erkennen ist, dass Kochs Vorschläge Teil einer neoliberalen Strategie sind, welcher SPD, GRÜNE und CDU an andere Stelle problemlos zustimmen. Zu den Hauptzielen aller neoliberalen Politiker und Akteure gehört neben 1. dem freien Markt und 2. Konkurrenz und Wettbewerb die Forderung 3. nach einem starken Staat (rule of law). Der Staat habe die Pflicht, einerseits dafür zu sorgen, dass die kapitalistische Ökonomie möglichst wenig eingeschränkt wird und andererseits dafür, dass die negativen Folgen des kapitalistischen Wirtschaftens abgemildert bzw. „ungeschehen" gemacht werden.
Diese „negativen Folgen" drücken sich allerdings in menschlichen Biografien aus: Es handelt sich um Jugendliche, die weder eine Chance auf eine Bildungskarriere haben noch eine Möglichkeit, für sich eine sinnvolle und lebenswerte Perspektive in dieser „freien" Gesellschaft zu entwickeln; die also Komasaufen und Gewalthandlungen gegen sich und andere als kurzfristige Highlights - ohne Bedenken der Folgen - betrachten; solche Jugendliche stammen mehrheitlich - das zeigt das Beispiel New York, das zeigt aber auch die Situationen in Frankfurt. Berlin und München - aus Migrantenfamilien, denen über Jahrzehnte hinweg Integration in jeder Hinsicht verunmöglicht wird; verunmöglicht wird gerade von denen, die heute nach Gefängnis und Strafverschärfung rufen.
Roland Koch, Erwin Huber, Günter Beckstein, Peter Gauweiler: Sie sind die Täter im Hintergrund, die eine Gesellschaft von Lügen und Gewalt durch ihre Reden und ihre Politik erst erzeugen. Wer wie diese drei auf dem Rücken eines zusammengeschlagenen Rentners sein politisches Süppchen kocht, braucht dringender als jeder Jugendliche eine Erziehungsmaßnahme. Jahrzehntelanger Arrest in Land- und Bundestagen scheinen bei ihnen - was Respekt und Achtung vor Menschen betrifft - ebensowenig gefruchtet zu haben wie die kurzfristigen Haftaufenthalte im Wildbad Kreuth.
Zur Person: Prof.Dr.phil.habil. Klaus Weber lehrt an der Fachhochschule München, Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften (Bereich Resozialisierung). Vorsitzender des Kurt-Eisner-Vereins. Er kandidiert auf Listenplatz 12 für die Stadtratswahl 2008 als parteiloser Kandidat der LINKEN.
Kurz vor Weihnachten schlagen zwei männliche Jugendliche einen 76-Jährigen in einer Münchener U-Bahn-Station zu Boden und bringen ihm schwere Kopfverletzungen bei. Der bayerische Innenmminister Herrmann fordert umgehend die Heraufsetzung der Höchststrafe für solche Straftaten. „Wenn es rechtlich möglich ist, werden wir den türkischen Straftäter ausweisen" (FAZ 27.12.07). Dieser türkische Straftäter, der 20-jährige Serkan A. - ist geborener Münchner. Der zweite Täter ist ein 17-jähriger Grieche. Der hessische Ministerpräsident Koch nutzt den Vorfall, um im Wahlkampf Stimmen zu gewinnen. Er greift SPD, GRÜNE und LINKE an, weil diese einen „Kuschelvollzug wollen" und er warb für Härte im Umgang mit jugendlichen Gewalttätern.
Die Tat ist eine von vielen, die in der Bundesrepublik geschehen. Die Täter werden bestraft werden; bisher wurde gegen die beiden Jugendlichen ein Haftbefehl wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung erlassen. Der Münchner Bürgermeister Ude betonte als erster SPD-Vertreter zu Recht, er finde es ärgerlich, dass CSU-Politiker „immer nach Straftaten sofort dem Gericht vorgreifen und schon wissen, welche ausländerrechtlichen Konsequenzen zu fordern sind" (FAZ 27.12.07).
Tatsache ist - das weiß Herrmann und das weiß Koch - dass die Anzahl der Straftaten von 1997 bis 2006 um 5% gesunken ist; für Hessen gilt, dass bei Gewaltkriminalität der Anteil ausländischer Tatverdächtiger unter 21 Jahren zwischen 1997 und 2006 von knapp 50 auf gut 30 Prozent gesunken ist (SZ 5.1.08). Tatsache ist auch, dass Arrest und Haft für Straftäter (gerade und auch für Jugendliche) nicht dazu führen, diese in die Gesellschaft re-integriert werden können, sondern das Gegenteil: der Kriminologe Christian Pfeiffer spricht von einer Rückfallquote von 70% bei Jugendarrest, von 80% bei Haftstrafen.
Der Skandal ist, dass Roland Koch in Hessen und die CSU in Bayern einen jugendlichen Gewaltakt, wie er tagtäglich in der BRD passiert nutzen, um rassistische sowie law-und-order-Parolen zu verkünden: Peter Ramsauer, CSU-Chef in Bonn, rügt „entrückte Richter", die „Lichtjahre vom Rechtsempfinden der Bevölkerung entfernt" seien (FAZ 8.1.08), Peter Gauweiler kritisiert die lasche Abschiebepolitik mit den Worten: „Es wird zuwenig abgeschoben und zu viel ... hereingelassen" (ebd.); Roland Koch schiebt ein Wahlkampfpapier nach, in dem er in den Raum stellt, es fänden in Deutschland „Hausschlachtungen in der Wohnküche" durch Ausländer statt, welche auch „ungewohnte Vorstellungen zur Müllentsorgung" (FAZ 5.1.08) hätten. Dagegen setzt er „unsere" deutsche „Hausordnung, die einzuhalten sei - denn „Ordnung ist das halbe Leben". Mit rechtsextremer, völkisch-nationalistischer Propaganda schlachtet Koch den Münchener Vorfall aus; die Quittung dafür bekam er von der Hessischen Diakonie ebenso wie vom Zentralrat der Juden. Letztere bezeichnet Kochs Wahlkampf „Fast auf dem Niveau der NPD" (8.1.2008).
Angela Merkel, die Kanzlerin, hat am 9. November 2007 im Bundestag einem Gesetz zur Veränderung des Jugendstrafrechts zugestimmt (auch alle hessischen Abgeordneten), in dem als Ziel des Jugendstrafrechts ausdrücklich festgehalten ist, dass der Erziehungs- und nicht der Strafgedanke an erster Stelle zu stehen habe. Anfang Januar gibt sie mit dem gesamten CDU-Vorstand den Forderungen Kochs nach. In der Wiesbadener Erklärung heißt es: „Die CDU fordert in ihrem einstimmigen Beschluss einen "Warnschuss-Arrest", höhere Jugendstrafen bei schwersten Verbrechen und eine schnellere Abschiebung in bestimmten Fällen" (Spiegel Online 5.1.08).
Das Problem
Jugendkriminalität, jugendliche Mehrfachstraftäter, Intensivstraftäter: Das Problem ist Fachleuten und Politikern bekannt; mithin wird politisch nichts getan, was zu einer positiven Veränderung der Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen führen könnte, damit diese erst gar nicht in den Kreislauf der Gewalt geraten (vgl. Leitthesen zum 27. Deutschen Jugendgerichtstag September 2007): Effektive Jugendpolitik, die auf Ausgleich bestehender sozialer Nachteile und die soziale Integration ausgerichtet ist. Keiner der Politiker stellt einen Zusammenhang zwischen der großen Anzahl (25%) von Kindern, die auf Sozialhilfeniveau leben und der Frage, welche Perspektiven solche Kinder später haben werden. Niemand spricht davon, dass seit Jahren Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe kaum mehr im Sinne der Problemlagen von Kindern und Jugendlichen aufgebracht werden - sondern alleine nach der Devise: Jugendämter müssen sparen und wenn die Jugendlichen darunter leiden.
Täter müssen - frühzeitig nach ihrer Tat - aktiv an der Konfliktschlichtung und der Folgenminimierung mitwirken können. Egal, welche Maßnahmen und Sanktionen gerichtlich als notwendig angesehen sind, zur Resozialisierung führt nur ein Weg: die (personen-)intensive und hartnäckige Auseinandersetzung mit den Tätern, denen die Hintergründe und Folgen ihrer Taten durch erzieherische Maßnahme klargemacht werden können und müssen. Einsicht ist jedoch nur dann zu haben, wenn gleichzeitig Chancen für eine lebenswerte und sinnvolle Zukunftsgestaltung für die Jugendlichen erkennbar sind.
Kein Fallenlassen: Kriminalpolitik, die auf Ausgrenzung baut (Arrest, Haft, Abschiebung etc.), widerspricht dem verfassungsrechtlich fundierten Resozialisierungsauftrag in unserem Land uns wären in ihren gesellschaftlichen Auswirkungen verheerend. „Ein Fallenlassen ist auch dann keine Alternative, wenn junge Menschen schwere bis schwerste Straftaten begangen haben oder sich als schwierige oder hartnäckig auffällige Täter erweisen". Jugendstrafrecht kann nicht das ausgleichen, was in anderen politischen Feldern über Jahre und Jahrzehnte vernachlässigt wurde. Für eine demokratische Gesellschaft wäre es ein Armutszeugnis, wenn sie nicht in der Lage wäre, ihre Jugendlichen - egal welcher Herkunft und welchen Alters - sozial zu integrieren.
Dass fast 90% aller Straftaten von Männern verübt werden, wird im Rahmen der aktuellen Debatte nicht erwähnt. Das mag damit zusammenhängen, dass viele der männlichen Straftaten von Politikern fast jeder Couleur geflissentlich übersehen wenn nicht gar „entschuldigt" werden: Vergewaltigungen nach Fußballfesten und -spielen; Randalieren in Zügen und Bahnhöfen nach sportlichen Massenspektakeln; massenweise Schlägereien und andere Delikte bei staatlich geförderten und erwünschten Großveranstaltungen (z.B. dem Münchner Oktoberfest).
Zusammenhänge
Die GRÜNEN werfen den Propagandisten der CDU - insbesondere Roland Koch und der CSU - vor, deren Wahlkampfstrategie sei „billig und niederträchtig" und es sei schäbig, dass Angela Merkel sich den Forderungen Kochs angeschlossen habe. Was weder GRÜNE noch SPD erkennen ist, dass Kochs Vorschläge Teil einer neoliberalen Strategie sind, welcher SPD, GRÜNE und CDU an andere Stelle problemlos zustimmen. Zu den Hauptzielen aller neoliberalen Politiker und Akteure gehört neben 1. dem freien Markt und 2. Konkurrenz und Wettbewerb die Forderung 3. nach einem starken Staat (rule of law). Der Staat habe die Pflicht, einerseits dafür zu sorgen, dass die kapitalistische Ökonomie möglichst wenig eingeschränkt wird und andererseits dafür, dass die negativen Folgen des kapitalistischen Wirtschaftens abgemildert bzw. „ungeschehen" gemacht werden.
Diese „negativen Folgen" drücken sich allerdings in menschlichen Biografien aus: Es handelt sich um Jugendliche, die weder eine Chance auf eine Bildungskarriere haben noch eine Möglichkeit, für sich eine sinnvolle und lebenswerte Perspektive in dieser „freien" Gesellschaft zu entwickeln; die also Komasaufen und Gewalthandlungen gegen sich und andere als kurzfristige Highlights - ohne Bedenken der Folgen - betrachten; solche Jugendliche stammen mehrheitlich - das zeigt das Beispiel New York, das zeigt aber auch die Situationen in Frankfurt. Berlin und München - aus Migrantenfamilien, denen über Jahrzehnte hinweg Integration in jeder Hinsicht verunmöglicht wird; verunmöglicht wird gerade von denen, die heute nach Gefängnis und Strafverschärfung rufen.
Roland Koch, Erwin Huber, Günter Beckstein, Peter Gauweiler: Sie sind die Täter im Hintergrund, die eine Gesellschaft von Lügen und Gewalt durch ihre Reden und ihre Politik erst erzeugen. Wer wie diese drei auf dem Rücken eines zusammengeschlagenen Rentners sein politisches Süppchen kocht, braucht dringender als jeder Jugendliche eine Erziehungsmaßnahme. Jahrzehntelanger Arrest in Land- und Bundestagen scheinen bei ihnen - was Respekt und Achtung vor Menschen betrifft - ebensowenig gefruchtet zu haben wie die kurzfristigen Haftaufenthalte im Wildbad Kreuth.
Zur Person: Prof.Dr.phil.habil. Klaus Weber lehrt an der Fachhochschule München, Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften (Bereich Resozialisierung). Vorsitzender des Kurt-Eisner-Vereins. Er kandidiert auf Listenplatz 12 für die Stadtratswahl 2008 als parteiloser Kandidat der LINKEN.