Veranstaltungsbericht: Werkstattgespräche gehen mit Diskussion zu Flüchtlingspolitik in die Sommerpause.

Zum vorläufigen Abschluss der Werkstattgespräche hatte der Kurt-Eisner-Verein am 02.07.08 Matthias Weinzierl vom Bayerischen Flüchtlingsrat zu Gast. Bericht von Johannes Kakoures

Zum vorläufigen Abschluss der Werkstattgespräche hatte der Kurt-Eisner-Verein am 02.07.08 Matthias Weinzierl vom Bayerischen Flüchtlingsrat zu Gast. Aufgrund des leider `mal wieder überschaubaren Zuhörerkreises beschränkte sich Weinzierl zur Einleitung auf ein paar Stichworte zur Lage der Flüchtlinge vor Ort. Flüchtlinge in Bayern – menschenunwürdige Zustände Es sei zunächst festzuhalten, dass immer weniger Flüchtlinge den Weg nach Deutschland und damit auch nach München schaffen. Pro Jahr werden in der Landeshauptstadt eine bis drei Flüchtlingsunterkünfte geschlossen. Hier erinnerte Weinzierl daran, dass die Unterkünfte mittlerweile vollständig in der Zuständigkeit der Regierung von Oberbayern lägen. Gab es bis vor wenigen Jahren noch städtische Unterkünfte, in denen eine vergleichsweise gute Betreuung geleistet wurde, muss konstatiert werden, dass bzgl. der staatlichen Lager der politische Wille spürbar ist, dass diese möglichst abschreckend wirken. Dies zeige nicht nur die Unterbringungslage, vielmehr haben sich Repräsentanten der Verwaltung diesbezüglich auch eindeutig geäußert. Bereits die Tatsache, dass Asylsuchende in Bayern in Containern untergebracht sind, bestätige diese Linie. So werden in anderen Bundesländern Flüchtlinge in Wohnungen untergebracht, was für die Kommunen teilweise kostengünstiger ist. Die Lebensumstände in den Lagern beschrieb Weinzierl anhand eines bezeichnenden Beispiels: so sollte sich eine Delegation um die bayerischen Sozialministerin Christa Stewens erst vor wenigen Tagen in einem der Lager ein Bild von eben diesen Zuständen zu machen. Die Beteiligten zogen es jedoch vor, vor der ausgewählten Unterkunft zu bleiben, da es drinnen zu heiß und stickig war... Neben der menschenunwürdigen Unterbringung bestehen weitere Schikanen. Weinzierl erinnerte daran, dass die Flüchtlinge lediglich Essenspakete erhielten. Die beauftragte Firma mache ihr Geschäft damit, dass sie aussortierte Waren von Supermarktketten ankaufe. Im Zuge des sog. Gammelfleischskandals (bzw. einem von diesen) entdeckte der Flüchtlingsrat, dass abgelaufenes Hühnerfleisch auf diese Weise an Flüchtlinge entsorgt wurde. Gravierend wirke sich auch die Residenzpflicht aus, die Asylbewerbern verbietet, den Landkreis, in dem sie untergebracht sind, zu verlassen. An finanziellen Leistungen erhalten Asylbewerber ein „Taschengeld“ von 40 € im Monat. Selbst dieser lächerliche Betrag kann noch gekürzt oder sogar ganz gestrichen werden, wenn Flüchtlinge bestimmte Mitwirkungspflichten nicht erfüllen, etwa aus der Botschaft ihres Herkunftsstaates Papiere, die für ihre Abschiebung benötigt werden, nicht abholen. Deutsche und Europäische
Flüchtlingspolitik – katastrophale Zustände Neben der menschenunwürdigen Behandlung in Bayern gab es auch ansonsten wenig positives zu vermelden. Die in Deutschland eingeführte Drittstaatenregelung, wonach Asylsuchende bereits deswegen abgewiesen werden können, weil sie auf ihrem Fluchtweg ein Land durchquert haben, in dem sie Asyl hätten beantragen können, ist zum Vorbild für die Flüchtlinspolitik der Europäischen Union geworden. Dies habe dazu geführt, dass Europa mittlerweile ein großer „Verschiebebahnhof“ für Hilfesuchende geworden ist. Besonders dramatisch ist die Situation an den Außengrenzen der EU. Insbesondere Griechenland spielt durch ein grausames Grenzregime an der Küste eine unrühmliche Rolle. Überhaupt zeigt sich an der Flucht übers Mittelmeer am anschaulichsten die katastrophale Flüchtlingspolitik Europas. So werden Schiffe teilweise vor radarerfassten Flüchtlingsbooten gewarnt und aufgefordert diese weiträumig zu umfahren. Hintergrund ist die seerechtliche Pflicht Schiffbrüchige aufzunehmen. Teilweise kam es zu Verurteilung wegen Beihilfe zur illegaler Einreise, wenn Fischerboote doch auf den Gedanken kamen, halbverhungerte und verdurstende Menschen aus nicht seetüchtigen Behelfsbooten aufzunehmen und an die europäische Küste zu bringen. Schlepper setzen die Flüchtlinge mittlerweile ohne Begleitung in Nussschalen und kassieren quasi ohne Gegenleistung bis zu 1000 € pro „Passage“. Aus eigener Wahrnehmung konnte Weinzierl berichten, dass viele der Flüchtlinge, besonders aus den afrikanischen Binnenländern, überhaupt keine Erfahrung mit Wasser haben. Schwimmen können daher die wenigsten. Selbst ein Binnenstaat hat es Deutschland hier geschafft, sich aus der Verantwortung zu stehlen und diese z.B. Malta, einem Staat mit ca. 400 000 Einwohnern aufzubürden. Daneben hat es Deutschland auch im Rahmen der erst vor kurzem beschlossenen „Abschieberichtline“ verstanden, die eigenen miesen Standards auf die EU auszudehnen. Galt z.B. in Frankreich bislang, dass eine Abschiebehaft nicht länger als 32 Tage dauern durfte, so erlaubt die Richtlinie nun eine Gefangenschaft bis zu 18 Monate. Auch Kinder dürfen entgegen der früheren Rechtslage in manchen Ländern in Abschiebehaft genommen werden. Die Diskussion – andere Zustände möglich In der anschließenden Diskussion wehrte Weinzierl bestimmt Versuche ab, Fragen der Integrationspolitik mit der Flüchtlingspolitik zu vermengen. Es sei zwar sicherlich ein wichtiges Thema, wie man ein friedliches Zusammenleben hier organisieren kann. Zunächst ginge es jedoch um Menschen, die, wie die Fluchtszenarien am Mittelmeer zeigen, nicht ohne Grund Schutz suchen. Auf entschiedenen Widerspruch stieß auch die aus dem Publikum geäußerte These bei einer zu liberalen Flüchtlingspolitik würden so viele Menschen nach Deutschland kommen, dass ein Zusammenleben gar nicht mehr möglich sei. Dies ließ nicht nur durch historische Beispiele widerlegen. So könne etwa nicht davon gesprochen werden, dass es mit der griechischen Minderheit irgendwelche Probleme gibt, obwohl in den sechziger Jahren viele Griechen kamen.  Da aufgrund des Terrors der Militärjunta ein enormer Auswanderungsdruck bestand, gab es bereits damals ähnliche Befürchtungen. Schließlich habe auch die Einwanderung aus dem Sudetenland nach dem zweiten Weltkrieg bewältigt werden können, obwohl damals fast zwei Millionen Menschen in ein zerstörtes Bayern kamen und auf eine nicht immer freundlich gesonnene Bevölkerung stießen. Wanderungsbewegungen habe es im Verlauf der Menschheitsgeschichte immer gegeben, ebenso wie Beispiele, dass man sich arrangieren kann. Save me – Zustand einer Kampagne Abschließend stellte Weinzierl ausführlicher die Kampagne „Save me“ dar, die auch wir in den letzten Ausgaben begleitet hatten. In Anlehnung an den Stadtgeburtstag soll die Stadt München 850 Flüchtlinge aufnehmen. 850 Münchnerinnen und Münchner sollen eine Patenschaft für sie übernehmen, und den Aufzunehmenden den Start in ein neues Leben erleichtern. Die Kampagne lehnt sich an ein Resettlement - Programm des UNHCR an. Dieses versucht auf die Tatsache, dass es mit individuellen Rechtsansprüchen auf Aufnahme weltweit schwierig geworden ist, mit dem Gedanken der Kontingentierung zu reagieren und Länder so zur Aufnahme von Hilfesuchenden zu bewegen. Weinzierl betonte, dass dies natürlich weit von den Zielen des Flüchtlingsrates entfernt sei. Es gehe jedoch um die Chance das Thema überhaupt wieder in den öffentlichen und politischen Raum zu tragen. Dies gelte umso mehr als hier die Zuwanderung positiv konnotiert sei, nachdem man jahrzehntelang immer nur gegen weitere Restriktionen gekämpft habe. Tatsächlich gibt es Erfolge. So sei die Zahl der angestrebten 850 Paten, mit über 900 Münchnerinnen und Münchner längst überschritten. Zuspruch und Unterstützung gäbe es aus sehr unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen. Hier wurde auch Kritik geäußert, deren Berechtigung Weinzierl teilweise einräumte. So sei man durch die Übernahme des Kontingent – Gedankens in eine Falle der Konservativen gelaufen, die, wie das Beispiel der DDR-Flüchtlinge zeigt, eine Aufnahmepolitik immer in ihr Weltbild integrieren können, wenn die Fluchtgründe in ihr Konzept passen. So sei weitgehend problemlos möglich gewesen, dass Innenminister Schäuble den Gedanken aufgreifen und in die Forderung nach Aufnahme irakischer Christen ummünzen konnte. Der humanitäre Fortschritt einer Migrationspolitik wird zweifelhaft, wenn die Kriterien für die Aufnahme völlig außerhalb der Person der Aufzunehmenden liegen, diese also noch nicht `mal irgendetwas tun können, sondern vom Zufall, oder zutreffender der Willkür der Aufnehmenden, abhängig bleiben. Etwas anderes: Der Zustand der politischen Bildungsarbeit Wie angesprochen gehen die Werkstattgespräche des Kurt-Eisner-Vereins in eine Sommerpause. Sie werden ab September, wie nebenstehend dokumentiert fortgesetzt. Vielleicht kann dies Anlass sein, sich ein paar intensivere Gedanken zu machen, wieso dieses Angebot für politische Bildung nur einen begrenzten Abnehmerkreis fand. Auch wenn eine Veranstaltungsreihe im Büro des Kurt-Eisner-Vereins von Anfang an nicht auf breite Massenwirksamkeit angelegt ist, wären die Themen doch geeignet gewesenen jeweils einen größeren Teil der Aktiven anzusprechen. An den Referenten wird es, wie nicht zuletzt der lebhafte, kompetente und streitbare Vortrag von Matthias zeigte, eher nicht gelegen haben ... J.K.