Finnisch schlau?

Vom Unterrichtetwerden zum Lernen: Das Projekt Gemeinschaftsschule im Paradigmenwechsel

Neben einer Verbesserung des dreigliedrigen Schulsystems kursieren Vorstellungen einer Zweigliedrigkeit von Gymnasium und Stadtteil- bzw. Regionalschule und einer Schule für Alle, auch bekannt als Gemeinschaftsschule, in der Öffentlichkeit. Häufig genug sind Paradigmen und Begrifflichkeiten der Schultypen unklar. Dies trifft vor allem auf die Gemeinschaftsschule zu, die im September 2008 in Berlin in ihre Pilotphase tritt. Angelehnt an das skandinavische Schulsystem, insbesondere an das Finnische, strebt die Berliner Gemeinschaftsschule einen Wechsel in eine heterogene Schullandschaft an, in der von der Vorschule (flexiblen Schuleingangsphase) bis zur zehnten Klasse
gemeinsam gelernt werden soll. Der damit verbundene Paradigmenwechsel  des Lehr- und Lernverständnisses lässt sich am besten als einen Wechsel von einer Lernzielorientierung zur Kompetenzorientierung beschreiben. Angebote des individuellen Lernens, des Projektlernens und des Lernens in heterogenen Gruppen sind mit einem anderen Bewertungssystem als das der Zensierung, also der Fachleistungsdifferenzierung, verbunden. An deren Stelle tritt eine gemeinsame Reflexion von Eltern, Lehrern,Schülern über individuelle Zielvorgaben, die sich nicht primär an Wissenserwerb sondern Kompetenzerwerb orientieren. Als Kontrolle dienen Logbücher, in denen Zielvorgaben, Auswertungen und Gespräche festgehalten werden. Wenngleich es sich hierbei um die zentralen Begriffe einer heterogenen Lernlandschaft handelt, bedarf es deren Ausgestaltung, um ein lebendiges Verständnis der komplexen Materie zu erlangen. Da es den Akteuren in Berlin nicht um einen weiteren Schulversuch geht, verbinden sie mit der Pilotphase den Beginn einer Umsetzung in die Fläche. Tatsächlich finden diese Ideen bereits Einzug in anderen Bundesländern. So hat sich in Hamburg die Gesamtschule Winterhude bereits auf den Weg gemacht und ihre Schule entsprechend den neuen Paradigmen umgestaltet. Der Kurt-Eisner-Verein - Rosa-Luxemburg Stiftung Bayern bietet im Rahmen eines Vortrags mit anschließender Diskussion die Möglichkeit, sich mit den neuen Lehr- und Lernformen vertraut zu machen. Lena Tietgen ist freie Erziehungswissenschaftlerin (M.A.) und Journalistin arbeitet z.Zt. u.a. an einer Studie zur Gemeinschaftsschule in Berlin im  Auftrag der RLS. Sie hat bisher mehrmals zum Thema im ND veröffentlicht.