Nachricht | Europa - Westeuropa - Osteuropa Russland – Ukraine

Eine Deeskalation ist nur außerhalb der gängigen Muster möglich

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Autorin

Johanna Bussemer,

Foto: Eugen Titov

Geht es um den Russland-Ukraine Konflikt, egal ob in der aktuell zugespitzten Situation oder in den letzten Jahren, begegnet einem stets das gleiche Set an Argumenten: Beinah 30 Jahre nach der Auflösung der Sowjetunion müsse die Ukraine selbst entscheiden, ob sie der NATO beitreten wolle oder nicht. Russland würde durch militärische Manöver und Annektierung von Gebieten die Lage immer weiter zuspitzen heißt es auf der einen Seite. Das Nicht-Heranrücken der NATO an die Grenzen Russlands sei in den 1990iger Jahren garantiert worden, wird aber nicht eingehalten und bedrohe wiederum regelmäßig die Souveränität des Landes und müsse durch eben jenes Setzen deutlicher Zeichen verhindert werden, kontert die andere. Gerne mit der zusätzlichen Betonung, dass es auf beiden Seiten jeweils ja nur um die Schaffung von Frieden und Stabilität ginge. 

Akteuren unterschiedlichster politischer Couleur von links bis rechts fällt es dann nicht schwer diesen Schlagabtausch mantrahaft kommentierend zu wiederholen. Es sind ja auch nicht alle Argumente falsch, aber die Wiederholung dieser wird die sich stetig aufheizende Argumentationsspirale kaum durchbrechen können. Stattdessen müssen in der Ukraine und Russland sowie in Europa und den USA klare politische Positionen entwickelt werden, um zu einem neuen Verständigungsprozess zu kommen. Es ist gut, dass nun miteinander gesprochen wird, auch wenn der Weg dorthin ein merkwürdiger war und sich mit einer militärischen Drohkulisse im Hintergrund schlecht verhandeln lässt.

Russland sollte zukünftig das Säbelrasseln an der Grenze zur Ukraine einstellen, um damit das nötige Vertrauen im Westen, aber auch in der Ukraine zu gewinnen, dass es wirklich den so oft zitierten Frieden möchte. Die NATO, USA und die EU müssten im Gegenzug ihre Militärmanöver im Osten Europas zurückfahren und der Ankündigung, Russland künftig in Sicherheitsstrukturen einzubeziehen, Taten folgen lassen.  Zudem sollte die ukrainische Politik ihren Kurs auf den unbedingten Beitritt der NATO überdenken, denn dieser würde zum einen den Konflikt in der Ostukraine neu entfachen und zum anderen die Spaltung des Landes weiter zementieren. Stattdessen sollte sie ihre Aufmerksamkeit auf die soziale und humanitäre Situation in der Ostukraine richten, die seit vielen Jahren sehr schlecht ist. Weitere Belastungen für die ohnehin unter schwierigsten Bedingungen lebende Bevölkerung auf beiden Seiten der Kontaktlinie durch eine neuerliche militärische Eskalation sollten deshalb vermieden werden.

Jene Haltung würde jedoch von allen Beteiligten den Ausstieg aus ihren gewohnten militärisch-machistischen Denkmustern erfordern. Anna-Lena Baerbock hat eine feministische Außenpolitik angekündigt, anstatt einseitig ins Horn der alleinigen Schuldzuweisung an Russland zu blasen, könnte sie Taten folgen lassen – denn warten können die Menschen in der Konfliktregion nicht länger.