Nachricht | Deutsche / Europäische Geschichte - Europa - Osteuropa Thomas Mann als politischer Schriftsteller

Bericht über eine Fachtagung im litauischen Nida.

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Autor

Holger Politt,

Das litauische Bildungswerk DEMOS für kritisches Denken und die Rosa-Luxemburg-Stiftung führten vom 20. bis 22. September 2018 in Nida mit Unterstützung des dortigen Thomas-Mann-Kulturzentrums und der Technischen Universität Kaunas eine Fachtagung durch zum Thema «Literatur und Politik. Thomas Mann als politischer Schriftsteller».

Die Eröffnung fand in Thomas Manns ehemaligen Sommerhaus statt, in dem die Familie Mann von 1930 bis 1932 dreimal die Sommerferien verbrachte. Über das Sommerhaus hatte Thomas Mann 1931 in einem Vortrag im Rotary-Club München im Dezember 1931 gesprochen und bei dieser Gelegenheit auf Wilhelm von Humboldt verwiesen, der gesagt hatte, dass man diese Gegend auf der Kurischen Nehrung gesehen haben müsse, wie man Italien oder Spanien gesehen haben sollte. So erklärte Thomas Mann die Wahl, hier das Sommerhaus errichten zu lassen. 

 

Nach dem Regierungsantritt Hitlers nutzten die Manns das Sommerhaus nicht mehr. Nach dem Krieg wurde das ehemalige Sommerhaus wieder aufgebaut und restauriert, nachdem sich der litauische Schriftsteller Antanas Venclova – seinerzeit Vorsitzender des Schriftstellerverbands in der Litauischen Sozialistischen Sowjetrepublik – für den Erhalt eingesetzt hatte.

1967 wurde bereits eine Gedenkstätte eingeweiht, 1995 wurde im ehemaligen Sommerhaus das Kulturzentrum gegründet, ein Jahr später eröffnete dort das Museum.

Nun hielt Frau Professor Ruth Leiserowitz, die stellvertretende Direktorin des Deutschen Historischen Instituts in Warschau, im Rahmen der Fachtagung hier den Eröffnungsvortrag zum politischen Schriftsteller Thomas Mann. Die Tagung konzentrierte sich auf die politischen Aspekte im Schaffen, wobei sich schnell herausstellte, wie eng auch diese Seite im Schaffen an die künstlerische Arbeit von Thomas Mann gebunden ist.

Marion Fisch vom VSA-Verlag aus Hamburg setzte sich mit dem Exilroman «Lotte in Weimar» auseinander, den sie als einen wichtigen Deutschlandroman würdigte.

Andrius Bielski vom Bildungswerk DEMOS stellte Überlegungen zu Thomas Mann aus Sicht der kritischen Theorie vor, wobei er gekonnt den Bogen von Marxschen Überlegungen über Adorno und Horckheimer bis zu Habermas spannte.

Erhard Crome, Vorstandsmitglied im Institut für Internationale Politik zu Potsdam, folgte den Radiosendungen von Thomas Mann, die dieser unter dem Titel „Deutsche Hörer“ regelmäßig in den Kriegsjahren 1940 bis 1945 produziert hatte.

Egidijus Mardosas von der Technischen Universität Kaunas besprach aus aktuellen politischen Aspekten die homoerotische Leidenschaft im Werk von Thomas Mann.

Schließlich verwies Holger Politt, der das Warschauer Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung vertrat, auf wichtige Aspekte im Verhältnis von Thomas Mann und Georg Lukács, wobei er am Schluss warnend darauf verwies, mit welchen fadenscheinigen Gründen Lukács heute restlos aus dem öffentlichen Leben Ungarns verdrängt werden soll.

Am Schlusstag der Tagung wurde in einer offenen Runde Bezug genommen zu heutigen politischen Herausforderungen in Litauen, in anderen Mitgliedsländern der Europäischen Union und überhaupt weltweit. Dabei kamen vor allem Vertreterinnen von litauischen Organisationen und Initiativen aus dem links-alternativen Spektrum zu Wort. Den Abschluss der Tagung bildete ein gemeinsamer Besuch am Denkmal für Jean-Paul Sartre, der 1965 staunend über die berühmten Wanderdünen von Nida gewandert war.